: Recht und OrdnungVerhärtete Fronten
betr.: „Es geht nicht um Kapitalismuskritik“, taz vom 2. 3. 07
Anhand der unüberlegten, ja emotionalen und überzogenen Reaktion des Herrn Justizministers Goll stellt man fest, dass die Fronten noch genauso verhärtet sind wie vor 30 Jahren. Hass und Abneigung gegenüber Andersdenkender gehen so weit, dass man sie mit Sexualtätern vergleicht. Andersdenkend gleich krank? Somit ist man von jeglicher Verantwortung, ja, jeglicher Anstrengung freigesprochen, von seinem arroganten und gemästeten Ross herabzusteigen, um sich auf humane Weise mit Kritikern wie Herrn Klar (gerade, weil er wegen Mordes 24 Jahre im Gefängnis saß) auseinanderzusetzen. Berechtigte Kritik an der zerstörenden und Menschen unwürdigen Fehlentwicklung des kapitalistischem Gesellschaftssystems, die Millionen Menschen mit ihm teilen, gelten zu lassen, dazu gehören Eigenschaften wie Toleranz, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Gerade von einem Justizminister sollte man diese erwarten.
BIRGIT LORENZ, Weil der Stadt
Erfüllungsgehilfe
betr.: „verboten“, taz vom 1. 3. 07
Bei Ulrich Goll musste zwangsläufig der Schwarze Peter hängen bleiben, da er ja schließlich baden-württembergischer Justizminister ist und damit über die Haftbedingungen zu entscheiden hat. Sämtliche Parteigranden der SPD über die FDP bis zur CDU/CSU wussten ja schon Tage zuvor nichts Besseres, als sich über Christian Klars Grußwort aufzuregen und schon die Konsequenzen daraus vorzuschlagen, bevor Goll den Mund aufmachte – allen voran Wolfgang Thierse, dessen Statement ich persönlich am unerträglichsten fand. So gesehen ist Goll doch nur ein Teilchen des Systems, das auch noch Erfüllungsgehilfe sein durfte. KLAUS KONOLD Herbrechtingen
Guten Stil verlassen
betr.: „Das Schweinesystem schlägt zurück“, taz vom 1. 3. 07
Die heutige Ausgabe macht mich wütend und traurig. Obwohl ich in Ihrer Diktion sicher auch ein „Kapitalistenschwein“ bin, habe ich Ihr Blatt im Freundeskreis immer wegen seines kritischen, gut gemachten Journalismus verteidigt. Heute haben Sie aber Niveau und guten Stil verlassen. Wenn schon die meisten Leserbriefe vor Dummheit und ideologisch aufgeladener Ignoranz strotzen, sollte doch die Redaktion wenigstens versuchen, sich treu zu bleiben und gutes Deutsch und Intelligenz zu pflegen. Ein Blatt in Fäkalsprache nehmen doch nur die Leute ernst, auf die es nun wirklich nicht ankommt.
HANS-HEINER KRÜPPER, Battenberg
Was für ein Weltbild
betr.: „Das Schweinesystem“
Die Berichterstattung der taz und auch die Äußerungen Claus Peymanns im Fall Christian Klar sind einigermaßen befremdlich. Sicher hat auch ein verurteilter Terrorist ein Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Kapitalismuskritik. Aber wenn Christian Klar in der Sprache des Klassenkampfes ein Weltbild offenbart, das ihm einst Rechtfertigung genug war, 9 Menschen zu ermorden, dann ist eine Überprüfung, wie es um seine Gefährlichkeit steht, nicht so abwegig, oder? Und was ist das eigentlich für ein Weltbild Herr Peymann: Sexualstraftäter lebenslang wegsperren, aber Mörder, die ihre Taten mit linken politische Zielen rechtfertigen, nicht nur vorzeitig entlassen, sondern unbedingt begnadigen? STEPAHN STACH Warszawa, Polen
Gefährliche Worte
betr.: „Streit ums Klars Kritk am Kapital, taz vom 28. 2. 07
Lasst diesen Mann frei – er hat die Strafe für seine Attentate längst abgesessen und büßt schon seit Jahren für seine politische Überzeugung. Ob noch eine Gefahr von ihm ausgeht? Hoffentlich! Solche Worte sind hoffentlich gefährlich für die „neoliberale“ Hybris der Macht! Wir brauchen die Gefahr, die solche Worte für die herrschenden ungerechten Verhältnisse noch bedeuten, um der eigentlichen Gefahr entgegenzuwirken, die eine ungezügelte kapitalistische Weltherrschaft für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und die Lebensgrundlagen auf dem ganzen Planeten bedeuten. NIKO FEISTLE, Hamburg
Peymann hat recht
betr.: „Das System ist faul“, taz vom 1. 3. 07
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berichterstattung zum Thema Christian Klar. In einem System, wo Verbrecher gegen die Menschlichkeit, wesentlich weniger verbüßen müssen, sind die Reaktionen „unserer“ Politiker gegen eine Hafterleichterung von Klar kein Wunder. Demokratien (oder besser: Diktaturen auf Zeit) haben auch schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie auf dem rechten Auge blind sind. Naziverbrecher sind nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich günstiger davongekommen, als linke Terroristen aus den 70er und 80er Jahren. Ein Karl Dönitz musste nur zehn Jahre ins Gefängnis. Ein Herr Speer leider nur 20 Jahre. Ein Herr Fritzsche, Herr von Papen, Herr Schacht wurden wie viele andere Verbrecher des Dritten Reiches freigesprochen. Herr Peymann hat recht, wenn er sagt, dass viele auch so denken wie Christian Klar. Vielleicht nicht fünf Milliarden, aber es werden immer mehr.
TORSTEN SCHÖNBERG, Wien
Wadenbeißer
betr.: „Durchsichtige Empörung“, taz vom 28. 2. 07
Wenn ich die hier genannten Äußerungen der rechtskonservativen Systempolitiker in einen Zusammenhang setze mit einer Äußerung Angela Merkels am politischen Aschermittwoch, dann wird klar, wohin dieses Land gelenkt werden soll. Dort sagte Merkel, dass die Polizeikosten beim G-8-Gipfel nicht so hoch wären, wenn nicht so viel demonstriert werden würde. Dies, die dümmlichen, die Meinungsfreiheit verachtenden Äußerungen von Beckstein, Westerwelle und Wadenbeißer Söder und die geplante Einführung des Bundestrojaners durch Schäuble lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass man eine Art „Law and Order“-System einführen will. Wenn dann auch noch Frau Zypries darüber nachdenkt, auch für jugendliche Straftäter eine Art lebenslange Haftstrafe einzuführen, dann manifestiert sich dieses Bild der Freiheitsfeindlichkeit in diesem unserem Land.
DAVID KUNITZ, Bensheim
Weint und jammert
betr.: „Durchsichtige Empörung“
Was geschieht, wenn ein Ex-Terrorist die Bibel zitiert? Er gefährdet seine Begnadigung! Die Äußerung Christian Klars, die so viel Empörung ausgelöst hat, könnte nämlich ebenso aus dem Brief des Jakobus, 5. Kapitel, abgeschrieben sein. Dort steht:
„1 Und nun zu euch, ihr Reichen! Weint und jammert über das Elend, das euch erwartet am Tag, an dem Gott Gericht hält! Ihr habt in den letzten Tagen der Welt Reichtümer angehäuft. 4 Ihr habt den Leuten, die auf euren Feldern gearbeitet und eure Ernte eingebracht haben, den verdienten Lohn vorenthalten. Das schreit zum Himmel! 6 Ihr habt den Schuldlosen verurteilt und umgebracht, der sich nicht gegen euch gewehrt hat!“ Übrigens: War nicht auch der Apostel Petrus ein Ex-Terrorist? Er hat sich doch auch bei der Gefangennahme Jesu mit der Waffe in der Hand gegen die Staatsgewalt zur Wehr gesetzt. Und am Ende seines Lebens schrieb er: „Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Brief des Petrus, Kapitel 3). BERNHARD KONRAD Dettighofen
Klar verdient Kritik
betr.: „Die Unterwerfung des Gefangenen“, taz vom 1. 3. 07
Natürlich muss man Politikern entgegentreten, die den Strafvollzug von der politischen Gesinnung von Häftlingen abhängig machen wollen. Aber auch Herr Klar verdient deutliche Kritik. Wer es als vielfacher Mörder nicht einmal fertig bringt, sich bei den Angehörigen seiner Opfer für das Leid zu entschuldigen, das er ihnen gebracht hat, der sollte sich nicht als Weltverbesserer und Menschheitsretter aufspielen.
Kritik verdienen auch die Organisatoren der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Warum muss man so ein Grußwort verlesen? Grüßt die sonst niemand? Kritik am Kapitalismus können doch unzählige Menschen besser und glaubwürdiger formulieren. Warum muss man eine Person wie Klar in ihrer bizarren Selbstüberschätzung als politischer Kämpfer auch noch bestärken? ROLAND STARK Eltville
Keine Gnade
betr.: „Unterwerfung des Gefangenen“
Sehr geehrter Herr Semler, ich muss Ihnen widersprechen. Bei dem verurteilten Mörder und Terroristen Klar geht es nicht um eine Meinungsäußerung, und schon gar nicht um eine „antiimperialistische“ oder „antikapitalistische“ Haltung. Klar verachtet alle Werte, die wir lieben, und für die ich zum Beispiel als Ostdeutscher gegen die SED-Kommunisten gekämpft habe: Freiheit, Chancengleichheit und das Recht zu wählen, sich in der Presse frei zu äußern. Keine Freiheit für die Gegner der Freiheit forderte einmal der oberste Verfassungsschützer Deutschlands. Damit hatte er zweifelsfrei recht. Wer wie Klar in unverschämter Weise gegen unser Staatswesen hetzt, hat Gnade nicht verdient. sein Recht bekommt er ja, allerdings muss er dafür noch zwei Jahre brummen. RALF DRESCHER, Berlin
Das wahre Leben
betr.: „Unterwerfung des Gefangenen“
wie eine meute hungriger wölfe stürzen sich die medien aller art plötzlich auf einen brief, der bereits im januar öffentlich war. nur, zu dem zeitpunkt hatten sich noch nicht so viele menschen mit rachegelüsten, strafbedürfnissen und infantilen anderen gelüsten zu wort gemeldet. Die wenigen, die mit kommentaren meinen, das recht auf gnade für christian klar retten zu müssen, funktionalisieren seine grußbotschaft an die rosa-luxemburg-konferenz als milde zu belächende schrift eines durch isolation nicht mehr fähigen mannes zur richtigen analyse: Ströbele muss 5-mal lesen, um zu verstehen, renée zucker sieht infantilen trotz und jan feddersen wittert sogar die sehnsucht nach einer neugeburt. Da sagen die reaktionären konservativen wie stoiber und thierse doch ehrlicherweise, worum es ihnen geht: um das exempel zu statuieren ehemalige RAF- kämpfer in die sicherungsverwahrung zu verbringen. So soll ein für allemal den radikal linken „ wirrköpfen“ klar gemacht werden, dass das kapitalistische gesellschaftsgefüge mit option auf krieg in aller welt für „demokratie“ das einzig wahre leben ist.
ILSE SCHWIPPER, Berlin
Herabwürdigung
betr.: „Unterwerfung des Gefangenen“
In der DDR gab es einen Straftatbestand „Herabwürdigung des sozialistischen Staates“. Dieser Gesinnungsparagraf wurde sehr häufig angewandt. Wie wäre es mit einer Ergänzung unseres Strafregisters um einen Paragrafen „Herabwürdigung des Kapitalismus“. Wer sich dessen schuldig macht, sollte in ein Internierungslager gesperrt werden, um schädliche Einflüsse auf die Bevölkerung auszuschließen. Begnadigung selbstverständlich ausgeschlossen. Die Scharfmacher von CSU und FDP hätten in der DDR eine gute Figur abgegeben! THOMAS MÜLLER, Dresden
Reif für Veränderung
betr.: „Babylon feeling“, taz v, 28. 2. 07
Liebe Frau Zucker, auch Sie haben nicht lange genug nachgedacht! Sonst hätten Sie nicht C. Klars Satz, die Welt sei geschichtlich reif für Veränderung, damit sie für zukünftige Neugeborene (moderner augedrückt:) lebenswert wird, als dumme Fehleinschätzung abgetan. Wieso eine Fehleinschätzung? Weil das ein Ex-Terrorist sagt, der seine Taten nicht bereut? Und wenn Parlamentarier wie Michael Müller (taz vom 20. 2.) oder Reinhard Loske (taz vom 27. 2.) diese Gedanken vorsichtig und in zeitgeistgerechten Worten andeuten, wird zustimmend genickt? Und die „wirklich wichtigen“ Dinge, „Darfur, zum Beispiel“: Wenn Sie es riskieren, darüber nachzudenken – dann sehen Sie unser Wegsehen klar im Zusammenhang mit dem ausufernden Kapitalismus und der damit zusammenhängenden Ressourcen-Raffgier! SABINE MIEHE, Marburg
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.