Rekord-Anmeldung für Ganztagsangebot

SCHULSTART 75 Prozent aller Grundschüler besuchen künftig auch nachmittags die Schule. Während Schulsenator Rabe jubelt, kritisieren Eltern die Qualität des Angebots und erwägen eine Volksinitiative

Mit einer so hohen Beteiligungsquote habe keiner gerechnet

Für Schulsenator Ties Rabe (SPD) ist es eine Jubelmeldung, die er zum Schulbeginn am Donnerstag verbreitet: 74,5 Prozent aller Grundschüler werden im neuen Schuljahr ganztags in der Schule bleiben, weil sie von ihren Eltern dafür angemeldet wurden. Mit einer so hohen Beteiligungsquote habe keiner gerechnet, sagte Rabe. Es zeige, dass die Eltern Vertrauen haben, „dass ihre Kinder dort gut aufgehoben sind“.

Bis auf zwei Ausnahmen bietet jede der 202 Grundschulen eine Nachmittagsbetreuung an. Rabe spricht generell von „Ganztagsgrundschulen“ und sieht dies auch durch die entsprechende Definition der Kultusminister gedeckt. Genau genommen sind aber nur 78 davon Ganztagsschulen (GTS), an denen Lehrer auch nachmittags zu finden sind. In den übrigen 125 Schulen übernehmen Kita-Träger ab 13 Uhr die Regie, dieses heißt deshalb „Ganztägige Bildung und Betreuung“ (GBS).

Seit Beginn dieser stufenweise eingeführten Reform, in deren Zuge die Horte an Kitas aufgelöst und an die Schulen verlagert wurden, gab es Kritik an den räumlichen und personellen Bedingungen. Die hohe Beteiligungsquote ist nun Bestätigung und Geschenk für die SPD im Vorwahlkampf. Entsprechend laut schlägt Rabe auf die Trommel. Frühere Senate hätten den Ganztagsausbau nur „im Schneckentempo“ vorangebracht. Hätte man dies fortgesetzt, hätte der Ausbau „noch Jahrzehnte gedauert“.

Dabei lässt Rabe unerwähnt, dass die Blaupause für diese Reform einschließlich des ehrgeizigen Zeitplans von seiner grünen Vorgängerin Christa Goetsch stammt. Sie hatte 2010 erste Pilotprojekte gestartet, wurde aber durch das vorzeitige Ende von Schwarz-Grün an der Vollendung ihrer Pläne gehindert.

Doch damals wie heute gibt es Unzufriedenheit mit der GBS. Eine Gruppe von Eltern erwägt gar eine Volksinitiative für Verbesserungen zu starten. „Es sind nicht nur Anlaufschwierigkeiten“, sagt deren Sprecher Christian Martens. Die Kinder seien häufig den ganzen Tag in der Klasse. Es fehlten Toberäume und andere Rückzugsmöglichkeiten, auch bräuchte man einen zweiten Erzieher in den großen Gruppen.

Dass mehr Eltern ihre Kinder anmelden, sage nichts über die Zufriedenheit, findet die Grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Sie hätten „häufig schlicht keine andere Wahl“. Die Fraktion Die Linke nennt die hohe Beteiligung „erfreulich“. Moniert aber auch die Qualität. „Die Verzahnung von Vormittagsunterricht und Nachmittagsangeboten klafft noch sehr auseinander“, so Schulpolitikerin Dora Heyenn. Noch weiter geht CDU-Politikerin Karin Prien. Sie wirft Rabe „Etikettenschwindel“ vor, handele es sich doch bei GBS nicht um eine „echte Ganztagsschule“.

KAIJA KUTTER