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Archiv-Artikel

Gewalttäter vor der Tür

Seit Einführung des Wegweisungsrechtes vor fünf Jahren wurden rund 700 Männer der Wohnung verwiesen. Was fehlt sind Konzepte zum Umgang mit Opfern und Tätern

von Eiken Bruhn

192-mal wurde im Land Bremen im vergangenen Jahr ein Wohnungsverweis gegen gewalttätige Männer ausgesprochen, fast doppelt so häufig wie im Jahr 2002, als das so genannte Wegweisungsrecht in das Bremische Polizeigesetz aufgenommen wurde. Der Anstieg der Fälle sei aber kein Zeichen dafür, dass Frauen häufiger als früher Opfer von Beziehungsgewalt würden, sagte gestern die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, die gemeinsam mit Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) die Zahlen vorstellte. „Ganz ausschließen können wir das zwar nicht“, sagte Hauffe, „aber wir gehen davon aus, dass das Gesetz einfach bekannter geworden ist, dass mehr Leute bei der Polizei anrufen, etwa Nachbarinnen, die etwas mitbekommen.“ Ein Indiz dafür sei, dass die Zahlen im Jahr 2005 von 109 auf 159 angestiegen waren – im März desselben Jahres war eine Frau im Bremer Maritim-Hotel von ihrem getrennt lebenden Ehemann erstochen worden.

Als „unspektakulär, aber effektiv“ bezeichnete Röwekamp das Wegweisungsrecht, das gewalttätige Partner – in äußerst seltenen Fällen auch Partnerinnen – für maximal zwanzig Tage verbietet, die Wohnung des Opfers zu betreten. Handelt es sich um eine gemeinsame Wohnung, kann das Gericht eine Überlassung anordnen. 700 Wohnungsverweise in fünf Jahren hätten gezeigt, dass es das Gesetz gebraucht habe und sich der Staat in Beziehungen einmischen müsse, sagte Röwekamp. Gleichwohl handele es sich um eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr und nicht der Prävention. Dringenden Handlungsbedarf sieht Röwekamp in der Arbeit mit Migranten, da die Hälfte der Tatverdächtigen keinen deutschen Pass hätten. Mit schlechteren Lebensbedingungen sei dies nicht generell zu entschuldigen, so Röwekamp, geprügelt, eingesperrt und bedroht würden Frauen aller Schichten. „Da geht es um unterschiedliche Auffassungen zur Rolle der Frau“, sagte Röwekamp.

Ein Konzept brauche man außerdem für migrantische Frauen, sagte Hauffe. „Wir erreichen die nicht, die tauchen nicht in der Beratung auf.“ Wünschenswert sei, dass sich die Moscheen diesem Thema weiter öffneten.

Lückenhaft sei in Bremen auch die Arbeit mit Tätern, kritisierte Hauffe. Es gebe nur zwei Vereine, die gewalttätige Männer beraten und behandeln, beide seien finanziell nicht abgesichert und könnten nicht allen Männern, die es wollen, ein Angebot machen.

Wie es mit der Beratung von Frauen in Bremen bestellt ist, konnten Röwekamp und Hauffe nicht sagen. Theoretisch informiert die Polizei bei Wegweisungen den oder die zuständige Case ManagerIn im Sozialzentrum, die unverzüglich die Frau zu Hause besuchen und sie über weitere Möglichkeiten informieren sollen, etwa Beratungsangebote bei den beiden Frauenhäusern und anderen Trägern. Doch die sagen übereinstimmend das, was sie bereits vor drei Jahren irritiert hat. „Bei uns kommt niemand an“, sagt Maria Schnackenburg vom Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt. Dabei sei eine fachkundige Begleitung notwendig, etwa um zu verhindern, dass die Frau den Täter wieder in die Wohnung lässt. „Um das durchzustehen, muss man psychisch sehr stark sein.“ Vorstellbar sei allerdings, dass die Frauen, die ihren Misshandler aus der Wohnung entfernen ließen, ein weniger gestörtes Selbstbewusstsein hätten als diejenigen, die sich zum Schutz in die Frauenhäuser flüchteten. Und die sind, das bestätigten Röwekamp und Hauffe, so voll wie eh und je.