: Angela Merkel fordert Frauenbündnisse
Frei von frauenbewegtem Pathos, aber mit Faible für strategische Bündnisse: So präsentiert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Internationalen Frauentag. Studie zu Rollenbildern von 20-Jährigen zeigt: Junge Väter wollen politische Vorbilder
VON HEIDE OESTREICH
Sie sind illusionslos und sie sind pragmatisch. Gestern präsentierten sich die Bundeskanzlerin und fünf ihrer Ministerinnen zum Geburtstag des Frauenministeriums und zum morgigen Internationalen Frauentag in einer merkwürdigen Mischung aus Ehrlichkeit und Engagement.
Insbesondere Angela Merkel war völlig frei von frauenbewegtem Pathos, als sie meinte, Frauen kämen eben dann in Führungspositionen, wenn die Lage ohnehin hoffnungslos aussehe: So sei etwa die CDU-Bürgermeisterin Petra Roth ins Frankfurter Rathaus gelangt: „Wenn Männer das Ding für gewinnbar gehalten hätten, hätte sich sicher jemand anderes gefunden“, erklärte sie salopp. Auf die Frage, warum keine Minister hier Reklame für Gleichstellung machten, meinte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nur: „Wir wissen ja, was die Männer im Kabinett von Gleichberechtigung halten.“
Bei Merkel kommt diese Sichtweise wohl daher, dass sie die BRD-Verhältnisse immer noch mit einiger Distanz betrachtet: „Als die Wende kam, war ich auf alles vorbereitet, ich hatte Physik studiert, ich hatte immer mit Männern gearbeitet, aber dass die Frauenfrage in meinem Leben noch mal eine Rolle spielt, das hatte ich echt nicht erwartet“, erklärte sie.
Es ist die Gelassenheit der Macht, die diese Veranstaltung prägte und von früheren Frauentagsparaden von Ministerinnen unterschied: Natürlich muss man aufzählen, was alles noch zu tun ist. Aber wenn da eine Kanzlerin sitzt und erzählt, dass pragmatische Frauenbündnisse erfolgreich sind, dann hat das einen anderen Wumms. So hätten bei der Kabinettsklausur zum Thema Elterngeld sechs Ministerinnen unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit abends mal eben einen tragfähigen Kompromiss entwickelt. Solchen pragmatischen Vernetzungen redete Merkel das Wort: „Frauen müssen rational Bündnisse schließen.“ Es sei eben nicht so, „dass Frauen anderen Frauen alles zutrauen“, kritisierte sie ihre Geschlechtsgenossinnen: „Aber meine Güte, es geht doch!“
Weil das Ministerium 20 wurde, waren sechs 20-Jährige eingeladen, die aktuelle Frauenpolitik zu diskutieren. Sie kamen mit ganz praktischen Problemen: Wie kann eine Mutter mit zwei Kindern ihre wissenschaftliche Karriere verfolgen? Warum gibt es in der Politik keine männlichen Vorbilder für die jungen Männer, die gleichberechtigte Beziehungen leben wollen?
Fast alle waren StudentInnen, deren modernes Geschlechterbild auch eine Studie über die Rollenbilder von 20-Jährigen bestätigt, die das Frauenministerium in Auftrag gegeben hat: Während insbesondere die jungen Frauen mit Abitur für sich eine gleichberechtigte Lebensweise als selbstverständlich in Anspruch nehmen, sind die jungen Männer des gleichen Milieus vor allem verunsichert: Sie wollen eine moderne Rolle für sich, haben aber keinerlei Vorbilder. Von ihren selbstbewussten Partnerinnen fühlen sie sich deshalb oft regelrecht „überrannt“.
Männer mittlerer Bildung hoffen dagegen insgeheim, dass sich die alte bequeme Rollenteilung nach der Partnerwahl schon wieder herstellen wird. Frauen mit geringer Bildung haben auch prinzipiell nicht so viel dagegen, denn sie wollen die Mehrbelastung, die mit einer weiteren Karriere auf sie zukäme, möglichst vermeiden. Auch noch ein schönes Thema für die Gleichstellungspolitik.