: Der schwierige Weg in den Westen
AUSSTELLUNG „Risiko Freiheit“ in Marienfelde zeigt die Geschichte von Fluchthelfern zu Mauerzeiten
RALPH KABISCH, FLUCHTHELFER
„Wenn man die Menschen sieht, die aus dem Tunnel kommen, wenn man in ihre Gesichter, in ihre Augen blickt …, das sind hochemotionale Momente“, sagt Ralph Kabisch mit brüchiger Stimme und gläsernen Augen. Seit den frühen sechziger Jahren war er als Fluchthelfer aktiv: Er schmuggelte Menschen in einem umgebauten Cadillac versteckt über die Grenze und half später bei dem Bau eines Fluchttunnels in der Bernauer Straße. 1967 wurde er in der Tschechoslowakei verhaftet, und erst ein halbes Jahr später konnte er nach Westberlin zurückkehren.
Geschichten wie die von Kabisch sind in der ab Freitag zu sehenden Ausstellung „Risiko Freiheit“ in der Erinnerungsstätte des Notaufnahmelagers Marienfelde dokumentiert. Die Geschichte der Fluchthilfe für DDR-Bürger zwischen den Jahren 1961 und 1989 ist hier multimedial aufgearbeitet und dargestellt. Zu sehen sind zahlreiche Fotos, Originaldokumente und Habseligkeiten, anhand deren die Geschichten von DDR-Flüchtlingen, Fluchthelfern und organisierten Helfergruppen erzählt werden.
„Das ist die erste umfassende Ausstellung zu diesem Thema“, sagte Maria Nooke, die Kuratorin. Da die Erinnerungsstätte auch heute noch als Unterkunft für Flüchtlinge dient, wolle man außerdem zeigen, dass Flüchtlingshilfe weiterhin ein aktuelles Thema ist.
Keine drei Äffchen
Beim Pressetermin am Mittwoch zur Vorbesichtigung der Ausstellung erzählt der heute 72-jährige Kabisch, wie er als junger Mann Anfang der Sechziger zum Studieren nach Westberlin kam. „Da brannte die Luft, jeden Tag passierte irgendwas an der Mauer“, sagt er. Die Situation im damals durch die Mauer frisch geteilten Berlin habe ihn vor eine Entscheidung gestellt. „Entweder ich engagiere mich, oder ich mache die drei Äffchen – nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Ich habe mich für Ersteres entschieden.“
Unmittelbar nach dem Bau der Mauer war die Arbeit der Fluchthelfer im Westen noch gern gesehen. Sie galten als Helden, die aus persönlichen oder ideologischen Gründen handelten. Wie sich die Arbeit der Helfer mit der Zeit veränderte, ist in der Ausstellung zu sehen – aber auch, wie sich das Bild der Fluchthelfer in der westdeutschen Bevölkerung mit der Zeit wandelte. Mit Beginn der Verhandlungen zwischen BRD und DDR verblasste das Heldenimage der Fluchthelfer. Das Geschäft mit den Flüchtlingen blühte auf und lockte auch Profitgierige an.
Dennoch: die Ausstellung soll zeigen, dass die Arbeit der Fluchthelfer viel bewegt hat, sagt die Kuratorin Nooke. „Dass die innerdeutsche Grenze gefallen ist, ist auch ihr Verdienst.“
Ralph Kabisch sagt, er habe den DDR-Bürgern helfen wollen, ihnen ein Leben in Westberlin zu ermöglichen. „Außerdem hatten wir vor allem Lust, der Stasi eins auszuwischen!“ LISA OPITZ
■ „Risiko Freiheit“ ist vom 22. August bis 28. Juni 2015 in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde zu sehen. Der Eintritt ist frei