Al-Qaida jubelt über deutschen Attentäter

TERROR Im März erschoss Arid U. zwei US-Soldaten. Eine „mutige“ Tat, lobt al-Qaida in einer Terrorpostille

Hauptfokus der Ausgabe mit dem Titel „Tsunami of Change“ ist die Revolution in der arabischen Welt

BERLIN taz | Al-Qaida bejubelt in der gerade erschienenen neuen Ausgabe ihres englischsprachigen Magazins Inspire den Frankfurter Attentäter Arid U., der Anfang März am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen hat. Sie nennen den 21-Jährigen „mutig“. Dass US-Präsident Barack Obama auf die Tat mit Entsetzen reagierte, kommentiert die Terrororganisation mit: „Gott sei Dank“.

Es ist das fünfte Terrorheft, das die im Jemen beheimatete Al-Qaida-Filiale auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) unter dem zynischen Titel Inspire herausgibt. Eine Verbindung von Arid U. zu al-Qaida lässt sich aus der Notiz aber nicht ableiten, im Gegenteil: In dem Heft heißt es nur, man habe gehört, der Attentäter sei durch „die Internet-Werke der Mudschaheddin“ inspiriert worden.

In früheren Ausgaben von Inspire waren Artikel erschienen, die direkt darauf abzielten, junge radikalisierte Männer im Westen zu Attentaten anzustacheln – inklusive Bombenbastelanleitung für zu Hause („Make a bomb in the kitchen of your mom“).

In manchen Medienberichten war Arid U. als ein Beispiel für einen solchen „anführerlosen Dschihad“ bezeichnet worden – als ein über das Internet radikalisierter, allein zuschlagender „lone wolf“. Der Vize-Generalbundesanwalt sprach von der Tat „eines islamistisch geprägten Einzeltäters“.

Die Motive von Arid U. und die Hintergründe der Tat sind nach wie vor nicht vollständig klar. So soll er weder in eine feste Gruppe oder gar ein Terrornetz eingebunden gewesen sein. Seine Aktivitäten in sozialen Netzwerken belegten lediglich, dass er virtuell mit zahlreichen Vertretern der deutschen Salafistenszene vernetzt war – vom rein missionarischen bis zum gewaltbejahenden Flügel dieser für einen erzreaktionären Urislam eintretenden Splitterbewegung.

Außerdem lebte Arid U. eine Zeit lang im selben Wohnkomplex wie der Islamist Rami M., der vor wenigen Tagen wegen Verdachts der Al-Qaida-Mitgliedschaft angeklagt wurde. Dass die beiden dort gemeinsam wohnten, ist allerdings schon Jahre her, und in Sicherheitskreisen wird bezweifelt, dass die Bekanntschaft etwas mit Arid U.s Radikalisierung zu tun hat.

Die Frage, welche Rolle neben einer Radikalisierung im Internet der Konsum von Ballerspielen in Zusammenhang mit der Tat gespielt haben könnten, wurde bisher kaum thematisiert. Arid U. hatte nach Angaben von Ermittlern die US-Soldaten mit gezielten Kopfschüssen regelrecht hingerichtet.

Der 21-Jährige hatte in seiner ersten Vernehmung gegenüber den Ermittlern gesagt, er habe am Abend vor der Tat bei YouTube ein Video gesehen, das ihn anstachelte: Darauf seien angeblich Plünderungen und Vergewaltigungen von US-Soldaten in Afghanistan zu sehen gewesen.

Die Terrorpostille Inspire beschäftigt sich in ihrem neuen Heft mit Arid U. nur in einer kurzen Notiz. Hauptfokus der Ausgabe mit dem Titel „Tsunami of Change“ ist die Revolution in der arabischen Welt. Deren Erfolg versuchen die Ideologen von al-Qaida für sich zu vereinnahmen.

Das dürfte allerdings schwierig werden. Ist den jungen Demonstranten auf der Straße doch gelungen, was bewaffnete Dschihad-Gruppen jahrelang als Ziel ausgegeben hatten: zuerst den „nahen Feind“ zu besiegen – gemeint sind die nun fallenden Despoten im Nahen Osten. Der „ferne Feind“ sind in diesem Weltbild vor allem die USA und Israel. WOLF SCHMIDT