: Schüler ziehen es durch
Osnabrück hat die niedrigste Schulabbrecherquote in ganz Niedersachsen. Das Geheimnis: Politik und Verwaltung verfolgen seit zehn Jahren gemeinsam mit den Schulen und freien Trägern eine moderne Jugend- und Schulpolitik und investieren Geld
VON KARIN CHRISTMANN
Die Eintracht in Osnabrück ist geradezu unheimlich. Eine hervorragend niedrige Quote von Schulabbrechern meldet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Niedersachsen, und die Beteiligten sind des gegenseitigen Lobes voll. Bei der Jugend- und Schulpolitik ist ein bemerkenswertes Phänomen vorzufinden: Stadtverwaltung, Politik, Schulen und soziale Einrichtungen arbeiten seit Jahren eng zusammen. Der Vertreter der Linkspartei im Rat unterstützt die Arbeit des zuständigen Stadtrates ebenso wie der FDP-Politiker, und die freien Träger freuen sich über die hervorragende Unterstützung durch die Stadt.
Die aktuellste Erfolgsmeldung: Nur 5,3 Prozent der Osnabrücker Jugendlichen verließen 2005die Schule ohne Abschluss. Das ist absolute Spitze, der niedersächsische Durchschnitt liegt bei 9,1 Prozent. Wer nach dem Erfolgsgeheimnis sucht, stößt in Osnabrück auf eine bunte Vielfalt von Projekten und Maßnahmen, die schon im Kindergarten beginnen: Sprachförderung vor der Einschulung gibt es beispielsweise schon seit 2001, drei Jahre früher als im Rest von Niedersachsen. Das Programm „Mama lernt deutsch“ soll außerdem dafür sorgen, dass sich nicht nur die Kinder integrieren.
Am Beginn der heutigen Schul- und Jugendpolitik stand vor mehr als zehn Jahren die Schulsozialarbeit. An den städtischen Hauptschulen und Förderschulen sowie an der Haupt- und Realschule sind pro Schule ein bis zwei Sozialarbeiter angestellt. Ganztagsbetrieb an allen Hauptschulen gibt es ohnehin. Als die Schulsozialarbeit begann, war Osnabrück ein Vorreiter – heute kann sich die Stadt über die Erfolge freuen. 600.000 bis 700.000 Euro kostet die Maßnahme jährlich. „Da ist kein Euro umsonst ausgegeben“, sagt Birgit Strangmann, Vertreterin der Grünen im Stadtrat.
Die Sozialarbeiter betreiben Konfliktschlichtung und Krisenintervention, sie bieten intensive Einzelfallhilfe an und kümmern sich um notorische Schwänzer. Die Pädagogin Claudia Drenik, die an der Hauptschule Innenstadt arbeitet, erzählt außerdem von dem „Bewerbungsbüro“, das allen Schülern offen steht. „Weil wir in den Schulen vor Ort sind, kennen wir alle Schüler persönlich – das macht die Betreuung viel einfacher und besser“, sagt Drenik. Die Kommunen sind zwar nicht dafür verantwortlich, Sozialarbeiter an den Schulen zu bezahlen. „Wir wollen uns aber nicht nur um Kreide – oder heutzutage um Computer – kümmern“, sagt der zuständige Stadtrat Reinhard Sliwka. Trotzdem kämpfen auch Osnabrücks Schulabgänger mit den üblichen Problemen – Lehrstellenmangel gehört zum Alltag, denn 15 Prozent der Schulabgänger finden keinen Ausbildungsplatz. „Da müssen wir noch mehr tun, und deshalb haben wir auch das Kompetenzzentrum eingerichtet“, sagt Stadtrat Sliwka. Das kümmert sich seit vergangenem Dezember um den Übergang in den Beruf und betreut besonders schwierige Fälle. Eine weitere aktuelle Idee der Politik: Zur Einschulung und später bei jedem Wechsel auf eine neue Schulform sollen bedürftige Familien bald 50 Euro von der Stadt erhalten, um ihre Kinder auszustatten.
Eine Gruppe, die es im deutschen Schulsystem bekanntermaßen besonders schwer hat, sind Kinder mit Migrationshintergrund. „75 Prozent dieser Kinder erreichen in Osnabrück mindestens einen Realschulabschluss“, sagt Stadtrat Sliwka, „das ist ein großer Erfolg.“ Einer der Gründe dafür ist der „Verein zur pädagogischen Arbeit mit Kindern aus Zuwandererfamilien“. Geschäftsführerin Idrisia Hamza fühlt sich von der Stadt „hervorragend unterstützt“, finanziell und in allen anderen Bereichen. Der Verein betreut rund 200 Schüler mit Migrationshintergrund, die sich mit allen ihren Sorgen an die Mitarbeiter wenden können. Vor allem geht es aber um Unterstützung bei den Hausaufgaben, bei Bewerbungen und bei der Schulwahl.
Das Überraschende an den zahlreichen Programmen und Initiativen: Die Schul- und Jugendpolitik wird von allen Parteien gemeinsam gemacht, der Rat beschließt fast immer einstimmig. Vermutlich ist das das Erfolgsgeheimnis: Alle Beteiligten reden miteinander und ziehen an einem Strang.