: Vom Juntachef ins Amt des Premierministers
THAILAND Drei Monate nach dem Militärputsch „wählt“ die von Thailands Armee eingesetzte Nationalversammlung den „Falken“ Prayuth Chan-ocha zum neuen Regierungschef. Beobachter rechnen mit weiteren Vertretern des Militärs im Übergangskabinett
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
Das Prozedere soll gerade einmal eine Viertelstunde gedauert haben: Die von Thailands Junta handverlesene Nationalversammlung aus mehrheitlich Militär- und Polizeioffizieren hat Armeechef Prayuth Chan-ocha am Donnerstag zum Premierminister „gewählt“. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. König Bhumibol Adulyadej muss der Ernennung noch zustimmen. Für Beobachter gilt als ausgemacht, dass in einem Übergangskabinett weitere Militärs Regierungsposten erhalten werden.
Drei Monate ist der von Prayuth geführte Staatstreich nun her, seine Ernennung zum Regierungschef war keine Überraschung. Mutmaßungen darüber erhielten neue Nahrung, als der 60-Jährige vor wenigen Tagen während einer Haushaltsdebatte nicht in Uniform, sondern in dunklem Anzug und heller Krawatte erschien, als ob er bereits für das Amt eines „zivilen“ Premiers probe.
Prayuth selbst war bei der Ernennung abwesend. Stattdessen besuchte er eine Veranstaltung anlässlich des 64. Jahrestages der Queen’s Guard-Gründung: Bei jenem elitären 21. Infanterie-Regiment – der Leibgarde der Königin – hatte Prayuths Karriere einst ebenso begonnen wie die seines Vorgängers als Armeechef, Anupong Paochinda, und die von Exverteidigungsminister Prawit Wongsuwan.
Alle drei Generäle sind Angehörige einer als „Tiger des Ostens“ bekannten innermilitärischen Clique und stehen absolut loyal zu Thailands Monarchie. Zugleich sind sie als erbitterte Gegner des politischen Lagers um den 2006 vom Militär gestürzten Premier Thaksin Shinawatra bekannt. Im Frühjahr 2010, als Thailands Armee die Proteste der Thaksin-treuen Rothemden blutig niederschlug, war Prawit Verteidigungsminister und Prayuth Stellvertreter Anupongs.
Dass der als „Falke“ bekannte Prayuth der einzige Kandidat für den Premiersposten war, suchte die Militärführung damit zu begründen, dass der Armeechef in Umfragen herausragende Zustimmungswerte erhalten habe. Das ist Augenwischerei in einem Land, in dem jede Kritik am Putsch als Straftat gilt sowie Verfolgungen und Verhaftungen wegen angeblicher Majestätsbeleidigung immer drastischere Ausmaße annehmen, wie auch die UNO besorgt anmerkte.
„Jeder im Land weiß, dass solche Umfragen politisch motiviert sind, monierte der in Japan lehrende thailändische Politikwissenschaftler Pavin Chachavalpongpun, der sich weigerte, einer Vorladung der Junta Folge zu leisten. „Unter diesen prekären Umständen würde es keiner wagen, die Wahrheit über die wachsende Unbeliebtheit der Militärführung zu sagen.“ Zwischenzeitlich hieß es gar, es gäre im Kreis der neuen Machthaber, da Gerüchte über einen Gegenputsch die Runde machten.
Am 22. Mai hatte das Militär nach fast sieben Monaten politischer Unruhen mit fast 30 Toten und mehr als 800 Verletzten geputscht. Wegbereiter waren die Proteste der Opposition unter Suthep Thaugsuban, einem einst hochrangigen Mitglied der Demokratischen Partei, die seit über 20 Jahren keine Wahlen mehr gewonnen hat. Sutheps Bewegung, die die vorgezogene Abstimmung vom Februar gewaltsam gestört hatte, war angetreten, um die damalige Premierministerin Yingluck Shinawatra zu stürzen. Sie war Anfang Mai vor dem Putsch in einem fragwürdigen Verfahren vom Verfassungsgericht abgesetzt worden.
Neuwahlen sollen laut Junta frühestens Ende 2015 abgehalten werden. Bis dahin soll die Übergangsregierung politische Reformen umsetzen. Kritiker monieren jedoch, die Armee und die mit ihr verbündeten ultrakonservativen Aristokraten und Technokraten wollten nur die eigene Macht zementieren und das politische Lager um den geschassten Premier Thaksin und dessen Schwester Yingluck ein für allemal kaltstellen.
Unter der Oberfläche rumort es jedoch: Kürzlich wurden vor der Morgendämmerung Hunderte Flugblätter vor dem Armeehauptquartier verstreut. Die Botschaften lauteten: „Kein Coup“ und „Befreit Thailand!“