: Ehrlich und lebendig
BRIEF Rund 1.500 Autoren protestieren
BERLIN taz | Dem Protest gegen den Onlinehändler Amazon hat sich in dieser Woche auch die Kulturstaatsministerin angeschlossen: „Marktmacht und die Herrschaft über zentrale Vertriebswege dürfen nicht dazu führen, dass unsere kulturelle Vielfalt gefährdet wird“, erklärte Monika Grütters (CDU). Und sie fügte an: „Wenn Titel aus Empfehlungslisten gestrichen und Lieferungen verzögert werden, um Rabattforderungen gegenüber Verlagen durchzusetzen, ist dies völlig inakzeptabel.“ Den offenen Brief von deutschsprachigen Autoren an die Amazon-Spitze unterstützte Grütters ausdrücklich.
Dieses Protestschreiben zeigt, wie nervös deutschsprachige Autorinnen und Autoren mittlerweile sind. In ihm heißt es: „Wir fordern Amazon entschieden auf, nicht länger Bücher und damit auch Autoren und Autorinnen als Geiseln zu nehmen, sondern eine lebendige, ehrliche Buchkultur zu gewährleisten.“ Rund 1.500 Autoren haben ihn inzwischen unterschrieben. Darunter sind viele bekannte Namen wie F. C. Delius, Juli Zeh, Elfriede Jelinek, Uwe Timm oder Ferdinand von Schirach.
Was genau mit der Wendung „ehrliche, lebendige Buchkultur“ gemeint ist, wird in dem Brief zwar nicht erläutert. Aber ganz klar ist, dass die Manipulation von Lieferfristen und Empfehlungslisten keineswegs dazugehört.
Die nächste Bastion: Buchpreisbindung
Auf einen zweiten Aspekt macht Josef Haslinger, Präsident der Autorenvereinigung PEN und Mitunterzeichner des Briefes, aufmerksam. Befeuert werden die Proteste durch die Sorge um die Buchpreisbindung. In einem Interview sagte Haslinger der dpa: „Amazon versuchte von Beginn an, mit ständig neuen Anläufen die Buchpreisbindung auszuhebeln. Das geht nicht. Die ganze Branche ist auf die Buchpreisbindung angewiesen, die Autoren ganz besonders.“
Im Hintergrund wirken hier Befürchtungen, dass die Buchpreisbindung auch im Rahmen der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP wegfallen könnte. Monika Grütters fordert deshalb bei den Verhandlungen Ausnahmeregelungen für die Kultur. Der Satz „Kultur ist keine Handelsware“ gehört zu ihren Standardstatements.
Damit formuliert die Kulturstaatsministerin, wie die Proteste gegen Amazon zeigen, einen breiten Konsens in der Branche und, wie zu vermuten ist, auch in weiten Teilen der Gesellschaft. Der Satz zeigt auch, wo Amazon, so mächtig der Konzern inzwischen auch erscheint, verwundbar ist: beim Image. Als die unwürdigen Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten durch die Presse gingen, hat Amazon bereits einen großen Imageschaden erlitten. Wenn der Onlinehändler sich nicht mit den Verlagen und Autoren einigt, wird er noch viel größer werden.
Auf Dauer kauft man aber nicht dort seine Bücher, wo einen ein schlechtes Gewissen plagt. DIRK KNIPPHALS