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Archiv-Artikel

Potenziell unwohl

900 Euro muss eine Krankenschwester zahlen, weil sie möglicherweise falsche Blutdruckwerte attestierte

Das hat sie nun davon, dass sie zur Arbeit kam, trotz Krankheit, der PatientInnen wegen und weil ihre Station im Klinikum Bremen-Mitte doch personell ohnehin so schlecht besetzt war. Seit 35 Jahren arbeitet Sigrid P. schon als Krankenschwester, und vielleicht war dies auch nicht das erste Mal. Nur das erste Mal, dass es auffiel.

Den Blutdruck hätte sie messen sollen, in diesem Falle den von Herrn S., jeweils morgens, mittags und abends. Hat sie aber nicht. Sondern einfach die entsprechenden Werte aus der Vorwoche übertragen. Jetzt musste sie sich dafür vor dem Amtsgericht verantworten.

Ihr Problem: Die Werte in der Vorwoche waren leicht erhöht, also haben die behandelnden ÄrtzInnen überlegt, die Medikamentendosis des Herrn S. zu erhöhen. Was ja vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Aber zu „Unwohlsein“ bei Herrn S. hätte führen können, wie Amtsrichterin Melanie Hüper darlegt. Die Staatsanwaltschaft nennt das eine versuchte Körperverletzung: Sigrid P. habe eine Gesundheitsschädigung jedenfalls „billigend in Kauf genommen“.

Das alles wäre gar nicht weiter aufgefallen, wäre Herr S. ein so genannter Kassenpatient. Schließlich war er ob seiner Haut, nicht seines Blutdrucks in Behandlung. Letzterer aber, so heißt es vor Gericht, werde standardmäßig bei allen PrivatpatientInnen gemessen. Weil man bei ihnen diese Leistung extra abrechnen könne, bei gesetzlichen Krankenkassen nicht.

Der Befund von Herrn S. ist „unstreitig“ und „konstant“, lässt eine Ärztin dem Gericht ausrichten, eine Gefahr für ihn habe nicht bestanden.

Das aber, sagt der Staatsanwalt in gestrengem Ton, habe Sigrid P. „nicht zweifelsfrei beurteilen können“. Sie kannte den Patienten ja vom Sehen, erwidert die Beschuldigte und er sei ja auch stundenlang unterwegs gewesen. Und überhaupt waren da noch drei Pflegefälle, dazu ein Demenzkranker, der drohte einfach wegzulaufen.

Der Staatsanwalt will das nicht gelten lassen, und schließlich hätte sich Frau P. ja auch „schlicht“ krankschreiben lassen können. Nein, er wolle es „nicht höher hängen als es ist“, sagt er dann. Aber ein Freispruch komme nicht in Frage. Am Ende wird das Verfahren eingestellt, wegen Geringfügigkeit – und Zahlung von 900 Euro. Jan Zier