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Archiv-Artikel

Gleichstellung mit Vorbehalten

In einem gemeinsamen Papier kritisieren 16 Sozial- und Behindertenverbände den Entwurf zum niedersächsischen Landesgleichstellungsgesetz. Dies entspreche nicht einmal Minimal-Forderungen

von FRIEDERIKE GRÄFF

Die Kritik war deutlich: Eine „sozialpolitische Bankrotterklärung“ nannte der niedersächsische Landesvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, den Entwurf zum Landesgleichstellungsgesetz. 16 Verbände und Organisationen aus dem Sozial- und Behindertenbereich nutzten den letzten Tag der Verbandsanhörung, um gemeinsam an der Vorlage von Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) grundsätzliche Änderungen einzufordern.

Nach deren Vorstellungen soll das Gesetz dazu dienen, innerhalb der Landesverwaltung „Barrieren für Menschen mit Behinderung zu beseitigen sowie rechtliche Diskriminierungen auszuschließen“. Instrumente dazu sollen ein weit gefasster Begriff der nun gesetzlich verankerten Barrierefreiheit sein, die Anerkennung der Gebärdensprache sowie die neu geschaffene Grundlage für das Amt eines Landesbeauftragten der Menschen mit Behinderung. Das Gleichstellungsgesetz, das Niedersachsen als letztes Bundesland auf den Weg bringt, richtet sich an alle Behörden und sonstigen Verwaltungseinrichtungen des Landes.

Dass das Amt des Landesbehindertenbeauftragten gesetzlich fest geschrieben wird, ist für den Sprecher des niedersächsischen Landesverbandes des SoVD, Christian Hoffmann, „einer der wenigen positiven Aspekte“ der Vorlage. Im Übrigen aber, kritisieren die Verbände, genüge sie „nicht einmal Minimal-Anforderungen“. So sei der Geltungsbereich auf die Landesregierung beschränkt – was bedeute, dass in allen Bereichen in städtischer oder kommunaler Verantwortung kein Anspruch auf Barrierefreiheit bestehe.

Das nennt Christian Hoffmann „nahezu katastrophal“. Denn Sporthalle, Rathaus oder Kindergarten seien genau die Orte, an denen Barrierefreiheit – sprich Zugänglichkeit auch für Menschen mit Behinderung – essentiell sei. Gleiches gelte für die gesetzliche Grundlage für Behindertenbeiräte auf kommunaler Ebene, wie sie der Landesbehindertenrat in seinem Eckpunktepapier bereits 2003 gefordert habe.

Weiterhin kritisierten die Sozial- und Behindertenverbände, dass die Vorlage keine Berichtspflicht der Landesregierung zur Umsetzung des Gesetzes vorsieht. Zudem hat Landesfinanzminister Hartmut Möllring (CDU) einen Finanzierungsvorbehalt vorgesehen, so dass sämtliche Ansprüche bei knappen Kassen abgelehnt werden können.

Im Sozialministerium betont man, dass es „natürlich noch zu Verbesserungen kommen“ werde, so Sprecher Thomas Spieker. Man sei sich bewusst, dass die Umsetzung „das Land etwas kosten“ werde. Konkrete Zugeständnisse machte er jedoch nicht. Im SoVD macht man sich Spieker zufolge dagegen „keine so großen Hoffnungen“ auf nachträgliche Änderungen. Zwar zeige sich Sozialministerin Ross-Luttmann grundsätzlich „sehr offen“ gegenüber den Behinderten- und Sozialverbänden, doch sei fraglich, ob sie ihre Vorstellungen auch im Kabinett durchsetzen könne.

Die SPD, die als Regierungspartei selbst kein Gleichstellungsgesetz eingebracht hatte, schloss sich gestern der Kritik aus den Verbänden an. Es sei „bezeichnend“, dass der Behindertenbeauftragte des Landes, Karl Finke, das Gesetz nicht mitgezeichnet habe. Die Regierung möchte das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden.