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Archiv-Artikel

Maler der Arbeitswelten

Die Bielefelder Kunsthalle zeigt zum ersten Mal gemeinsam die Expressionisten Felixmüller und Böckstiegel, die Anfang des 20. Jahrhunderts die westfälischen Arbeiter und Bauern heroisierten

PETER ORTMANN ist Kulturchef der taz nrw. Er träumt von künstlerisch reaktivierten Eckkneipen im Ruhrgebiet.

VON PETER ORTMANN

Die Schlote rauchen. Die Häuser sind rußgeschwärzt. Eine verhärmte Frau trägt zärtlich ihr Baby über den dunklen Asphalt. Das ist das Ruhrrevier, gerade einmal 85 Jahre her. Zu der Zeit war der Himmel nie blau und reale Welt bestand aus Arbeit ohne Freizeit. Aber es gab Künstler, die es nach dem ersten Weltkrieg gerade in diese Todeszone zog. Die Kunsthalle Bielefeld zeigt zwei von ihnen, nicht verwandt, aber verschwägert. Unter ihrem Leitmotiv „Arbeitswelten“ werden mit 120 Werken zum ersten Mal in umfassender Weise Conrad Felixmüller (eigentlich Konrad Felix Müller, 1897-1977) und Peter August Böckstiegel (1889-1951) gemeinsam vorgestellt.

Die beiden lernten sich 1913 auf der Kunstakademie in Dresden kennen. Böckstiegel heiratete Felixmüllers Schwester. Die beiden wurden Freund, teilten ein gemeinsames Sujet, aber nie ein Atelier. Während Peter August Böckstiegel die Arbeitswelt der westfälischen Bauern in seiner ländlichen Heimat Arrode bei Bielefeld für sich entdeckte, fuhr der junge Conrad Felixmüller zu Beginn der 1920er Jahre ins Ruhrgebiet und zeichnete und malte die Bergleute und Stahlarbeiter in den Industriezentren an Rhein und Ruhr. Die Künstler nehmen praktischen Anteil an der harten und schweren Arbeit, die der Arbeiter und der Bauer doch immer selbstbewusst und stolz im Wissen um die eigene Leistung verrichten. „Der neue Held ist jetzt der Mensch, der die Industrie aus seinem Kopfe aufgebaut hat, das Gewirr von konstruktiven Formen um sich“, schreibt Felixmüller damals zum Portrait seines Bruders, der im Bergbau arbeitete. So werde ein individuelles Gesicht zu einem Typ, zum modernen Menschen der technisierten Zeit.

Die beiden sind Expressionisten der zweiten Generation, die nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs, politisch agitatorisch die Einheit von Arbeit und Kunst propagierten. Das ging sogar soweit, dass Felixmüller den Sächsischen Staatspreis 1920/21, der ihm einen zweijährigen Aufenthalt in Rom ermöglicht hätte, fürs das Ruhrgebiet eintauschte. Noch nie hatte ein Künstler der Dresdener Akademie das Preisgeld nicht für die Reise an die Geburtsstätten der klassischen Kunst genutzt. Die Intention des Preises und das akademische Kunstverständnis der Juroren, die ihn ausgewählt hatten, sah das eigentlich vor. Doch Felixmüller war noch nicht Mitglied der KPD und so bewilligte die Akademie ihm die besondere Verwendung der Preisgelder.

Als Felixmüller 1920 ins Ruhrgebiet aufbricht, hatte Böckstiegel, der 1919 aus vier Jahre Krieg zurückgekehrt war, Dresden bereits verlassen und war ins westfälische Arrode auf den Hof seiner Eltern zurück gekehrt. Im Teutoburger Wald malte er deren Lebenskreis in kräftigen Farben, machte sie zu Ikonen der bäuerlichen Existenz – für ihn das „Sinnbild des Menschentums“. Ein Bauernmaler war er nicht, auch bei ihm sind die Figuren eher von harter Arbeit gezeichnet. Weil es in Bielefeld noch kein Museum gab, transportierte der Künstler einige seiner Gemälde mit einem Leiterwagen in die Betriebe und erläuterte dort seine Werke. Im Jahr 1934 muss sich Böckstiegel widerwillig als Mitglied der „Reichskammer der Bildenden Künste“ einschreiben und die Wertung seiner Arbeit durch die Nationalsozialisten bleibt zwiespältig. Einerseits erhält er in Berlin Ausstellungsverbot, andererseits erhält er halboffizielle Aufträge, bei denen auch keine stilistischen Auflagen gemacht werden.

Felixmüller war 1933 in der Dresdner Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen. Ein Jahr später ging er nach Berlin, hoffte auf freiere Arbeitsmöglichkeiten. Doch 1937 werden 151 Werke des Künstlers aus öffentlichem Besitz beschlagnahmt, er kommt 1944 noch an die Front. Er überlebt, wird 1949 Professor in Halle und kehrt nach seiner Emeritierung wieder zurück nach Berlin.

Bis 13. Mai 2007 Infos: 0521-32999500