SPORTPLATZ : Hertha in vertrauter Verwundbarkeit
BUNDESLIGA Zum Saisonauftakt schusselt sich Hertha BSC im heimischen Olympiastadion gegen das Team von Werder Bremen nach starkem Beginn doch noch zu einem Unentschieden
Immerhin 146 Minuten hatte Julian Schieber in der vergangenen Bundesligasaison bei Borussia Dortmund gespielt und dabei ein Tor erzielt. Nun stand der Stürmer bei seinem neuen Verein Hertha BSC gleich im ersten Spiel in der Startaufstellung und traf in 84 Minuten doppelt.
Nach einer ereignislosen Anfangsviertelstunde am Samstag im Olympiastadion im Spiel gegen Werder Bremen wurde Roy Beerens – auch ein Hertha-Neuzugang – auf der linken Seite freigespielt, ging ganz allein in den Bremer Strafraum, und seine Flanke fand den freistehenden Schieber. Kopfball. 1:0. Und im Minutentakt gab es nun weitere Chancen: Ronnys Freistoß strich über die Latte, danach konnte er über links genau so einfach in den Strafraum eindringen wie Beerens wenig später über rechts, und auch Schieber stand nach Ronny-Pass frei vor Bremens Torwart Raphael Wolf, doch der hielt.
Ronny, Ronny, Ronny, der Brasilianer, Held der Aufstiegssaison 2012/13 und vergangenes Jahr meist nur Ergänzungsspieler, will es dieses Jahr offenbar allen zeigen. Er machte in der ersten Halbzeit ein bärenstarkes Spiel und harmonierte mit seinen offensiven Nebenleuten – was bemerkenswert ist, denn alle drei sind Neueinkäufe: neben Schieber der japanische Linksaußen Genki Haraguchi und eben der wendige Niederländer Beerens, der öfter auch mal von seiner rechten auf die linken Seite wechselte, wie vor dem Führungstor. Von Bremen kam in dieser Phase wenig, 9:1 Schüsse standen nach 41 Minuten in der Statistik. Und doch bloß 1:0 Tore. „Wir haben vergessen, vor der Halbzeit das zweite Tor zu erzielen“, sagte Herthas Trainer Jos Luhukay nach dem Spiel.
Kurz wird es irre
Das kam dafür direkt nach der Pause: Wieder kam die Hertha über links, den Abpraller eines Haraguchi-Schusses konnte Wolf noch abwehren, doch Schieber vollendete zum 2:0.
Dann wurde es kurz irre: Bremens Santiago Garcia wollte für einen Freistoß Herthas Hosogai den Ball wegnehmen, Hosogai wand sich kurz darauf am Boden und hielt sich das Gesicht. Schiedsrichter Kinhöfer entschied salomonisch Gelb für Garcia und ließ den Bremern den Freistoß – und die machten daraus in der 52. Minute das 1:2: Obwohl Junuzovic’ Ball zuvor laaaaaaange in der Luft war, konnte niemand, auch nicht der herauseilende Hertha-Torwart Kraft, Lukimya am Kopfball hindern. Das ging zu einfach. Direkt danach vergab Beerens für Hertha eine mindestes fünfundneunzigprozentige Chance, und im Gegenzug bediente Elia über links di Santo, der in der 55. Minute das 2:2 machte. Das ging wirklich viel zu einfach.
In der Folge war das Spiel offener. Die Hertha, nun ihrer eigenen Verwundbarkeit bewusst, spielte nicht mehr so klar nach vorne und produzierte hinten weitere Unsicherheiten. Gleichzeitig zeigt sich, dass Bremens Tore nicht nur Zufall waren: Werder-Trainer Robin Dutt hatte in der Pause den Nachwuchsstürmer Davie Selke gebracht und im Mittelfeld von einer Raute auf eine Doppelsechs umgestellt, das gab mehr Sicherheit und mehr Torchancen.
Am Ende konnten beide Teams zufrieden sein, dass sie nicht noch verloren hatten: Bremen, weil die Schiedsrichter in der 85. Minute ein Kopfballtor von John Heitinga (noch ein Hertha-Neuzugang) nach Ecke wegen Foulspiels nicht anerkannte, und Hertha, weil Davie Selke in der 87. Minute mit einer guten Gelegenheit an Thomas Kraft scheiterte.
Jos Luhukay sagte nach dem Spiel, er habe „positive Momente der Offensivabteilung“ gesehen, mahnte aber zugleich, dass man nicht stabil geblieben sei – wie schon vergangene Woche im Pokal, als beim Viertligisten Viktoria Köln aus einer 3:0-Führung ein 3:2 wurde. Tatsächlich sollte vor allem die offenbar gelungene Integration der offensiven Neuzugänge Hoffnung machen. Wie stabil Berlins Abwehr ist, wird sich wohl erst gegen stärkere Gegner zeigen. Kommenden Samstag spielt die Hertha in Leverkusen. MICHAEL BRAKE