: Tore für Berlin, Talente für Ankara
Die Integrationsarbeit von Fußball-Oberligist Berlin Ankaraspor Kulübü (BAK) ist vorbildlich: Es gibt sogar Sprachkurse für die Eltern der Vereinsjugend. Andererseits macht sich der Klub vom türkischen Mutterverein abhängig – und der erwartet im Gegenzug den Transfer begabter Nachwuchsspieler
VON JOHANNES KOPP
Wenn die Jungs vom Fußballklub Berlin Ankaraspor Kulübü (BAK) trainieren, bilden sich am Rand des Spielfelds meist zwei Grüppchen. Auf der einen Seite stehen die deutschen, auf der anderen die aus der Türkei stammenden Eltern. Fraktionsübergreifend wird selten geplaudert. Es fehlt an einer gemeinsamen Sprache.
„Das gefällt uns nicht“, erklärt Burak Isikdaglioglu, Jugendleiter des BAK. Im Verein ist man zwar stolz darauf, dass in den letzten zwei Jahren sowohl türkischstämmige als auch deutsche Kinder die Jugendabteilung immer größer werden ließen, die Sprachbarrieren will man nun aber nicht länger hinnehmen.
Seit Anfang März bietet der BAK Eltern und Kindern deutschen Sprachunterricht, Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung an. Dafür hat der Klub eine pädagogische Fachkraft engagiert: Nadine Krüger soll fürs Erste acht Stunden pro Woche unterrichten – morgens die Eltern, nachmittags die Kinder. Je nach Bedarf ist geplant, das Angebot aufzustocken. Finanziert wird das Projekt durch Spendengelder aus einer vereinsinternen Jugendfördergemeinschaft. Eine bemerkenswerte Initiative: „So etwas gibt es nicht einmal bei Hertha BSC Berlin“, sagt Isikdaglioglu, „obwohl der Verein viele Migrantenkinder trainiert.“
Zur ersten Deutschstunde für die Eltern hatte der BAK auch die Presse eingeladen. Fünf Frauen trauten sich zum öffentlichen Sprachunterricht, Männer waren nicht erschienen. Nadine Krüger hat es nicht anders erwartet. Die Hemmschwelle, Schwächen zu zeigen, sei bei den Männern eindeutig höher, sagt sie. Auch aus diesem Grund plädiert sie für Geschlechtertrennung beim Unterricht – für den Fall, dass sich doch noch männliche Interessenten melden. Burak Isikdaglioglu versichert, dass dem Verein Männer bekannt sind, die das Angebot des BAK nutzen wollen.
Bei den anwesenden Frauen unterscheiden sich die Kenntnisse der deutschen Sprache erheblich. Eine könne sich schon recht differenziert ausdrücken, eine andere spreche dagegen noch kein Wort, bilanziert Krüger nach der Unterrichtspremiere. Alle leben seit zehn bis zwanzig Jahren in Berlin. Aber Krüger bekümmert das Wissensgefälle in der Gruppe nicht. Sie will es sinnvoll überbrücken. „Ich setze die Beste mit als Lehrerin ein, damit sie den Schwächeren hilft“, erklärt sie. Mit dieser Methode stellten sich auf beiden Seiten Lerneffekte ein.
Krüger bringt für ihre Arbeit die besten Voraussetzungen mit. Zum einen gehört sie zur BAK-Gemeinschaft. Ihr Sohn kickt in einem Juniorenteam von Ankaraspor. Zum anderen stammt ihr Mann aus der Türkei. Deshalb ist ihr der kulturelle Hintergrund der Menschen, die sie unterrichtet, vertraut. „Ich bin froh, dass ich Frau Krüger habe“, sagt Isikdaglioglu. Eine Bemerkung, die den 20-Jährigen gut 15 Jahre älter erscheinen lässt. Isikdaglioglu hat das Projekt mit initiiert.
Er ist ein immens umtriebiger Jugendleiter. In nur zwei Jahren hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass die Jugendabteilung von 100 auf 230 Mitglieder angewachsen ist. „Er kennt und spricht mit jedem. Er arbeitet rund um die Uhr für den Verein. Er reibt sich auf“, sagt Yiannis Kaufmann, der frühere Pressesprecher des BAK. Und Isikdaglioglu redet wie einer, der schon lange im Geschäft ist: „Mit einem negativen Image hat ein Verein keine Überlebenschance.“
Burak Isikdaglioglu bezieht sich auf die Vergangenheit. Beim Berliner Fußballverband sei der BAK unten durch gewesen, erzählt er. Es hatte Spielabbrüche gegeben, wegen Gewalttätigkeiten auf dem Platz. Der Club wirtschaftete schlecht, stand kurz vor der Insolvenz und wurde mit Wettmanipulationen in Verbindung gebracht.
Doch die Negativschlagzeilen gehören der Vergangenheit an. Mehmet Matur, Integrationsbeauftragter des Berliner Fußballverbandes, ist von der Sprachförderung des BAK sehr angetan. „Die Vereine kommen an viele Menschen besser heran als andere Organisationen oder Institutionen“, sagt Matur. Sprachkenntnisse seien der Schlüssel zur Integration in die deutsche Gesellschaft. Matur ist selbst gerade dabei, staatliche Finanzhilfen zu organisieren, damit ähnliche Projekte bei anderen Klubs mit Migrationshintergrund geschaffen werden können, die nicht von selbst die Initiative ergreifen.
Für Matur taugt der BAK in puncto Integration aber nur bedingt als Vorbild. Ihm missfällt, wie er sagt, dass sich der Verein letzten Sommer in die Abhängigkeit vom türkischen Erstligisten Ankaraspor begeben habe und künftig Talente für die türkische Süper Lig ausbilden werde. Aus dem Berliner Atletik-Club 07 wurde vor Saisonbeginn Berlin Ankaraspor Kulübü 07.
Bis auf sein Kürzel BAK legte der Oberligist seine traditionellen Erkennungszeichen einfach ab. Statt Rot-Weiß sind die Vereinsfarben nun Blau-Weiß, das Wappen wird von einem blauweiß gemusterten Leoparden ausgefüllt – genau wie beim türkischen Mutterverein Ankaraspor. Zum Vereinspräsidenten des BAK wurde Ahmet Gökcek erkoren. Der lebt in der Türkei und ist Sohn des Bürgermeisters von Ankara, Melih Gökcek, der wiederum Ankaraspor als Ehrenpräsident vorsteht.
Vermutlich ist Ankaraspor besonders an denjenigen Berliner Talenten interessiert, die einen türkischen Pass besitzen – weil sie in der Türkei keine der kontingentierten Ausländerlizenzen blockieren. Der Integrationsbeauftragte Matur warnt jedoch vor den Gefahren dieser bilateralen Zusammenarbeit. In der Türkei würden die türkischstämmigen Berliner ausgegrenzt. Es fände dort wenig Verständnis, wenn man aus dem „reichen Deutschland“ komme und mit Einheimischen um einen Profivertrag in der Türkei konkurriere. Diese Erfahrung hätten in der jüngsten Vergangenheit einige Deutschtürken machen müssen, weiß Matur zu berichten.
Jugendleiter Isikdaglioglu bestreitet, dass sich der BAK in Abhängigkeit von Ankaraspor befindet. „Wir geben unsere Talente genauso gerne an Hertha BSC ab. Wir sind gegenüber Ankaraspor zu nichts verpflichtet.“ Auch der frühere Präsident und Geldgeber des BAK, Bauunternehmer Mehmet Ali Han, streitet ab, dass Ankaraspor großen Nutzen aus der Kooperation zieht. Diese sei vor allem politisch motiviert, sagt er und betont: „Deshalb unterstützen ja auch der Bürgermeister von Ankara und sein Sohn das Projekt. Sie wollen mit ihrem Engagement in Berlin ein positives Zeichen setzen, um die Diskussion über eine EU-Erweiterung in Richtung Türkei positiv zu beeinflussen.“
Dabei ist kaum vorstellbar, dass der türkische Mutterverein keinerlei Gegenleistung für seine finanzielle Unterstützung an den BAK verlangt. Laut Presseberichten sollen für diese Saison bis zu 800.000 Euro von der Türkei nach Berlin geflossen sein. Bei Berlin Ankaraspor wird das dementiert: Die Zahl sei frei erfunden. Der Verein erhalte höchstens die Hälfte des genannten Betrags. Peanuts sind das allerdings auch nicht.
Wenn die türkische Hilfe tatsächlich so uneigennützig und zwanglos ist, wie behauptet, fragt sich nur, weshalb der BAK im vergangenen Sommer in der Berliner Fußballwoche mit folgender Anzeige eine klare Richtung vorgab: „Ist es nicht euer Traum, in der türkischen Süper Lig zu spielen?“
Das ist eine Vision, die im Gegensatz zum jetzt angelaufenen Sprachunterricht alles andere als integrierend wirkt. Ein Widerspruch, der sich erklären lässt: Der BAK strebt nämlich mit dem Rückenwind aus Ankara selbst hohe Ziele an. Für das Jahr 2011 hat der Oberligist seinen Aufstieg in die Zweite Bundesliga angepeilt. Dafür müssen freilich erst einmal professionelle Strukturen geschaffen werden. Momentan bemüht sich der BAK beim Sportamt Mitte darum, das alte Poststadion in Moabit als Vereins- und Trainingsgelände nutzen zu dürfen.
Eine vorbildliche Jugend- und Integrationsarbeit ist gewiss von Vorteil, will man in Zukunft das Wohlwollen des Bezirkssportamts und des Berliner Fußballverbandes genießen. Auf das Geld von Ankaraspor bleibt der Verein aber auch in Zukunft angewiesen – und dafür wird man nun eben das ein oder andere vielversprechende Talent abtreten müssen – auch wenn dies bestritten wird. Wenn man, wie der BAK, auf zwei Ebenen zugleich agieren muss, sind Widersprüche nun mal unvermeidlich.