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Archiv-Artikel

Azubi-Wende nach der Wende

LANDTAGSWAHL Der Ausbildungsmarkt im Osten hat sich im Vergleich zu früher gedreht: Lehrlinge werden händeringend gesucht. Die niedrige Bezahlung schreckt jedoch ab

Der Ausbildungsplatz zum „Sport- und Fitnesskaufmann“ ist heiß begehrt

VON BARBARA DRIBBUSCH

BERLIN taz | Die Sätze klangen düster: „Das bei den Arbeitsämtern gemeldete Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen blieb weit hinter der gemeldeten Nachfrage zurück.“ Die Lehrstellennot in den neuen Bundesländern, beschrieben in einem Bericht der Bundesanstalt für Arbeit von 1996, mutet heute wie ein Schreckensmärchen aus vergangenen Zeiten an.

Damals wurden Jugendliche im Osten mangels Alternativen zu Tausenden in irgendwelche betriebsfernen Bildungsgänge geschickt oder von den Berufsberatern in Thüringen beschworen, es doch mal in Baden-Württemberg zu versuchen, wo die Wirtschaftslage besser sei. Das Blatt hat sich gewendet. Jetzt, wo die Landtagswahlen am kommenden Sonntag in Sachsen und zwei Wochen später in Thüringen und Brandenburg anstehen, ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt vergleichsweise entspannt für diejenigen, die eine Lehrstelle suchen.

„Seit 2005 hat sich die Zahl der Bewerber in Sachsen halbiert“, berichtet Sebastian Otto, Sprecher der Regionaldirektion Sachsen bei der Bundesagentur für Arbeit. In den neuen Bundesländern war der Geburtenrückgang nach der Wende besonders stark und diese Jahrgänge fehlen jetzt als AnwärterInnen für Ausbildungsplätze.

Das spürt auch Marcel Menzel. „Früher konnte ich unter den Bewerbern wählen. Heute muss ich nehmen, wen ich kriegen kann“, sagt der Friseurmeister aus dem sächsischen Radebeul. Menzel betreibt die „Hübschmacherei“, einen renommierter Friseursalon, der vor allem Haarverlängerungen anbietet. Seine einzige Lehrstelle ist noch unbesetzt.

Menzel sieht dabei nicht nur den demografischen Rückgang als Ursache. Zwei Azubis, die er zwischenzeitlich eingestellt hatte, haben die Lehre nach wenigen Wochen wieder geschmissen. „Hartz IV ist eine Konkurrenz“, sagt der Friseurmeister, „da bekommen die Leute mehr Geld fürs Nichtstun.“

Eine Friseurauszubildende erhalte im ersten Lehrjahr 225 Euro. Dazu gibt es zwar Berufsausbildungsbeihilfe, wenn der oder die Jugendliche nicht mehr bei den Eltern wohnt. Doch mehr als ein Einkommen in Höhe von Hartz IV kommt nicht dabei heraus, für eine Vollzeitausbildung mit Ackerei im Salon und Pauken in der Berufsschule. Der längerfristige Nutzen einer Ausbildung werde dann oft nicht gesehen. „Es fehlt an der Motivation“, meint Menzel.

Auch die Firma Bauhof Service in Dresden sucht noch einen Lehrling für eine Ausbildung zum Anlagemechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Hier liegt die tarifliche Ausbildungsvergütung im Osten zwar mit rund 500 Euro im ersten Lehrjahr etwas höher und es gab auch Interessenten für die Stellen. „Die bisherigen Bewerber hatten aber zu schlechte Zeugnisse“, sagt die Personalverantwortliche der Firma, „eine Vier in den naturwissenschaftlichen Fächern reicht nicht aus.“ Auszubildende müssen die begleitende Berufsschule schaffen und dort werden gerade in den technischen Berufen nicht zu unterschätzende Anforderungen gestellt.

In Sachsen gab es im Juli noch 7.121 unbesetzte Lehrstellen, die Zahl der BewerberInnen beträgt 6.756 Personen. Auch in Thüringen ist bei der Zahl der Schulabgänger „die Talsohle“ erreicht, sagt Antje Türk, Sprecherin der Handwerkskammer Erfurt. Manche Unternehmen öffnen sich daher BewerberInnen aus dem EU-Ausland. Das Bauunternehmen Sauerbrey aus dem thüringischen Crawinkel etwa engagierte im vergangenen Jahr kurzerhand 15 Spanier, um die Azubi-Lücke bei Maurern und Zimmerern zu füllen, berichtet Türk.

Die außerbetrieblichen Bildungsgänge aus früheren Jahren, mit denen man dem Lehrstellenmangel begegnete, sind jedenfalls Geschichte. „Außer- und überbetriebliche Ausbildungen fallen im Vergleich zu früher kaum noch ins Gewicht“, sagt Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg bei der Bundesagentur.

Der Lehrlingsmangel variiert allerdings von Beruf zu Beruf. Während der Lebensmitteleinzelhandel dringend Auszubildende sucht, kommen in der Ausbildung zum „Sport- und Fitnesskaufmann“ in Sachsen drei BewerberInnen auf nur eine Lehrstelle.