: Der Märtyrer von Simbabwe
Morgan Tsvangirai, 55, ist Oppositionsführer in Simbabwe. Am Sonntag wurde er festgenommen und misshandelt; schwer verletzt wurde er gestern einem Richter in Harare vorgeführt FOTO: REUTERS
Morgan Tsvangirai, der untersetzte Mann mit dem kugelrunden Gesicht, hat als Oppositionsführer im desolaten Simbabwe Ausdauer bewiesen. In Lebensgefahr leitet er seine „Bewegung für demokratischen Wandel“ (MDC). Wie hoch die Lebensgefahr ist, zeigte seine Festnahme am Sonntag, nach der er von der Polizei brutal misshandelt wurde. Gestern erschien Tsvangirai vor Gericht mit schweren Kopfverletzungen, konnte kaum gehen und wurde in einem Krankenwagen zurück in Haft gebracht.
Der ehemalige Gewerkschaftschef Simbabwes hat schon drei Mordversuche überlebt. Als 1998 eine von ihm organisierte Streikwelle das Land lahm legte, stürmte ein Mob von Präsident Mugabes Anhängern sein Büro, schlug ihn bewusstlos und versuchte, ihn aus dem 10. Stock zu stürzen. Vielerorts im Land traten Arbeiter in den Streik, bis sie erfuhren, dass Tsvangirai noch lebte.
Tsvangirai wurde 1952 im Osten Simbabwes als Sohn eines Maurers geboren und arbeitete in Bergwerken. Er hat keine akademische Laufbahn vorzuweisen, was ihm manchmal als Hindernis für eine politische Karriere vorgeworfen wird. Das kontert er gern mit dem Hinweis, dass viele Regierungsangehörige beste Ausbildungen besitzen, aber keinen guten Job machen.
1999 wandelte er Simbabwes traditionell starke Gewerkschaftsbewegung 1999 in die erfolgreichste Oppositionspartei der Landesgeschichte um; die MDC bekam bei Parlamentswahlen 2000 57 Sitze gegen 62 für Mugabes Regierungspartei. Der Terror gegen Regimegegner brach los. Tsvangirai war der populäre Mann der Stunde. Er brachte Schwarze und Weiße, Landbewohner und Städter in seiner Partei unter einen Hut – gegen den gemeinsamen Feind Mugabe. Doch die unterschiedlichen Interessen blieben, und der Stern der MDC ist allmählich verblasst.
Tsvangirai kämpft langsam und mit demokratischen Mitteln gegen einen Terrorstaat. Er sprüht nicht gerade vor Charisma, seine Überzeugungskraft hat nachgelassen. Seine Reden wiederholen sich: Übergangsregierung, neue Verfassung, Demokratie. Eloquenz gegenüber Staatsoberhäuptern oder auch innovative Ansätze innerhalb der Opposition fehlen. Simple Fehler – wie heimlich aufgezeichnete Gespräche mit dem israelischen „agent provocateur“ Ari Ben-Menashe 2002, der später behauptete, Tsvangirai habe ihn um Hilfe bei der „Eliminierung“ Mugabes gebeten, brachten ihm eine Anklage und kosteten Glaubwürdigkeit.
Doch dieser Tage zeigt sich: Tsvangirai bleibt ein Märtyrer, mit mehr Rückhalt als seine Rivalen innerhalb der MDC. Jetzt muss er nur noch überleben, bis die Regierungspartei zerfällt. MARTINA SCHWIKOWSKI
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