: Who the fuck is Lena Braun?
GEBURTSTAG Lena Braun betreibt Projekträume wie die Galerie Su de CouCou, Boudoir und Barbie Deinhoff – und das als eine Frau, die seit mehr als 20 Jahren Ausstellungen organisiert und selbst Künstlerin ist. Heute wird Lena Braun alias Queen Barbie 50
VON DOROTHEE ROBRECHT
Wie immer in den letzten Jahren wird Lena Braun auch diesen Geburtstag öffentlich feiern: mit einer Performance in ihrer Galerie Su de CouCou. Performen wird sie nicht allein, sondern gemeinsam mit der koreanischen Künstlerin Jinran Kim. Deren Arbeiten sind es auch, die sie aktuell zeigt – Arbeiten von düsterer Eleganz, die sich um Tod und Sterben drehen. Zu sehen sind beispielsweise die „Letzten Matratzen“, die an der Wand hängen wie schöne Gemälde, aber Totenbetten simulieren. Daneben: Berlin in Trümmern, von Kim meisterhaft fixiert in Tinte, Aquarell und Bleistift. Ein morbides Ambiente für einen 50. Geburtstag, so scheint es, und doch, sagt Lena Braun, ist es genau das nicht.
„Ich stelle Jinran Kim aus, weil sie klug ist und Humor hat. Ihre Arbeiten haben Witz, und den, finde ich, kann man auch sehen.“ Remember Me ist der Titel, den Lena Braun dieser von ihr kuratierten Ausstellung gegeben hat, und fast genauso – Memory – heißt auch eine andere Ausstellung, die zeitgleich in Graz läuft. Dort wird eine Arbeit von Lena Braun gezeigt, zu Ehren des österreichischen Aktionskünstlers Jörg Schlick. Schlick war es, der sie vor fast 20 Jahren zu Queen Barbie machte, zusammen mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen: „Die Jungs hatten eine Loge gegründet, die Lord Jim Loge, nur für Männer natürlich, aber sie fanden, dass es eine Schwesterloge für Künstlerinnen geben sollte, eine Queen Barbie Loge. Und deren Vorsitzende war dann ich.“
So wurde sie, was sie heute noch ist: Lena Braun aka Queen Barbie. Eine Künstlerin und Performerin, die gleichzeitig kuratiert – nicht so berühmt wie Kippenberger, Schlick und Oehlen, aber ganz offenbar im Reinen mit sich. Dass Männer im Kunstbetrieb leichter Karriere machen als Frauen, hat sie ihnen nie verübelt, es scheint sie nicht einmal besonders zu interessieren. Postfeministische Gelassenheit? Vielleicht. Selbstbewusst genug ist sie. Aber „Queen Barbie“ – ist das nicht ein zu verniedlichendes Attribut für eine Frau, die 50 wird? Die nichts an sich hat, was an eine Barbie würde denken lassen: groß, attraktiv, Rauch in der Stimme und weit und breit kein Ken?
Die biografischen Fakten: Lena Braun ist 1961 in Wuppertal geboren, mütterlicherseits gehören Heinrich von Kleist und väterlicherseits Otto Hahn zum Stammbaum der Familie. Studiert hat sie in Berlin (Kommunikationswissenschaften), sie hat als Kunstredakteurin gearbeitet (beim Magazin Prinz), und sie hat Ausstellungen kuratiert (unter anderem in New York). Legendär wurden einige der Projekträume, die sie in Berlin betrieb, das Boudoir etwa, das sie kurz nach dem Mauerfall in Mitte eröffnete – eine Art Salon, in dem sich traf, was Rang und Namen hatte: Internationale Stars wie Robert Wilson kamen, aber auch viel lokale Prominenz. Ein perfektes Ambiente für jede Künstlerin, die Karriere machen will, doch statt Visitenkarten zu sammeln, ist Lena Braun weitergezogen, zunächst nach Kreuzberg und dann, 2009, nach Neukölln. Hier, in der Weserstraße 202, liegt das Su de CouCou, ihre aktuelle Galerie.
Schrill und trashig, so der erste Eindruck: pinke Wände, ein pinkes Tischchen und an diesem Tischchen auch Fransen in Pink. Zehn Ausstellungen pro Jahr macht sie hier, oft mit mehreren KünstlerInnen gleichzeitig und oft zu Themen wie Identität, Sexualität, Gender: „Ich stelle hauptsächlich Frauen aus, allerdings ohne das zum Programm zu erheben.“ Früher mal hat dieser Raum die Tuc Tuc Thai Karaoke Bar beherbergt, und Lena Braun erzählt gern, dass sie die „Rotlichtatmo“ mag. Viel interessanter allerdings ist, wie sie von den Frauen erzählt, die die Bar betrieben: dass das Frauen waren, die hier Geld verdienten, die den Laden zumachten, weil sie genug hatten, um in Rente zu gehen. Keine Opfer, sondern Herrinnen ihres Schicksals – offenbar ist es das, was sie sagen will. Und was sich als ein zentrales Motiv ihres Schaffens entpuppt.
Denn Lena Braun, die Künstlerin, rekonstruiert Biografien, genauer gesagt, sie versucht, sie richtigzustellen: „Ich bin Aktionistin, und ich schlüpfe in meinen Performances häufig in die Haut anderer, in die von Djuna Barnes zum Beispiel, von Peggy Guggenheim oder Angelika Kauffmann. Ich verleibe mir biografische Fetzen ein, und aus denen bildet sich nach und nach ein Gefühl, eine Wut, die die Wahrheit fühlt, aber nicht fassen kann. Ich recherchiere immer lange für diese Aktionen. Sie sind ein Wiederbelebungsversuch von Geschichte, oder sagen wir besser, von verdrängter und absichtlich falsch interpretierter Geschichte.“ Was von diesen Aktionen bleibt, sind zunächst Fotografien, und diese Fotografien bearbeitet Braun dann im Siebdruckverfahren. Eine Arbeitsweise, die an die Cindy Shermans denken lässt.
So wie es bei Sherman immer wieder das eigene Gesicht ist, das sie fotografiert, um dann die unterschiedlichsten Frauen zu porträtieren, ist es bei Lena Braun der eigene Körper, den sie wieder und wieder inszeniert, um andere dar- und vorzustellen. Und auch das ist wie bei Sherman: Wer nicht weiß, dass es immer die Künstlerin selbst ist, die in ihren Arbeiten auftaucht, der sieht es nicht. Eine Unsichtbarkeit, die gewollt ist und mit der sie spielt: „Who the fuck ist Lena Braun?“ hat Braun mal eine Ausstellung genannt – 2010 im Su de Coucou, dokumentiert unter www.queenbarbie.de.
■ Performance von Lena Braun und Jinran Kim, 8. April 2011, Galerie Su de CouCou, Einlass ab 19 Uhr