: Strahlende Spur nach Hanau
Das Ende Februar in Lauenförde gefundene Uran stammt Behörden zufolge aus der Hanauer Siemens-Fabrik. Wer es dort abzweigte, ist unklar. Göttinger Chemiker bezweifelt, dass das Material so ungefährlich ist wie stets behauptet
Für die Behörden ist die Herkunft so gut wie geklärt: Das Ende Februar in einem privaten Garten im niedersächsischen Lauenförde sichergestellte angereicherte Uran stamme „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ aus dem früheren Brennelementwerk von Siemens in Hanau. Das teilte gestern das niedersächsische Umweltministerium mit. Sowohl ein russischer Ursprung als auch die derzeit einzige deutsche Brennelementfabrik in Lingen als Hersteller könnten ausgeschlossen werden. Wann die Brennstofftabletten („Pellets“) produziert wurden, stehe noch nicht fest.
Siemens hat nach eigenen Angaben von 1969 bis 1994 in Hanau jährlich bis zu 200 Millionen Uran-Pellets für AKW-Brennstäbe produziert. Die zuständigen Behörden hätten die Sicherheitsvorkehrungen regelmäßig überprüft, es habe keine Beanstandungen gegeben. Die 110 Gramm Uran seien wohl unbemerkt aus dem Werk geschafft worden. Siemens belieferte auch das inzwischen stillgelegte AKW Würgassen, nahe Lauenförde auf der anderen Weserseite gelegen.
Wie der 45 Jahre alte Gartenbesitzer in den Besitz des Urans gelangt ist, wissen angeblich bislang weder das Umweltministerium noch die zuständige Staatsanwaltschaft Hildesheim. Der Mann, gegen den wegen illegalen Besitzes von Kernbrennstoffen ermittelt wird, habe dazu bislang geschwiegen, erklärten die Ermittler. Allerdings gibt es Hinweise auf eine berufliche Verbindung des Mannes zum AKW Würgassen: Er soll zeitweise in einer Reinigungsfirma gearbeitet haben, die auch Aufträge aus dem Kraftwerk hatte.
Der Mann hatte die Angelegenheit selbst ins Rollen gebracht und bereits am 17. Januar dieses Jahres über seinen Rechtsanwalt dem Bundeskanzleramt mitgeteilt, dass in seinem Garten Uran vergraben sei. Gleichzeitig hatte er erklärt, dass er bereits seit vielen Jahren verschiedene Stellen – darunter die Grünen – über die Existenz des Urans informiert habe. Doch niemand habe darauf reagiert.
Das Umweltministerium bekräftigte gestern, dass von den Uran-Pellets nur harmlose Alpha-Strahlung und keine Gefahr für die Umwelt ausgegangen sei. Der Göttinger Chemiker Rolf Bertram hält den Fund allerdings für „nicht ganz so harmlos“: Die Pellets bestünden zwar aus einem Gemisch von Uranisotopen, die als Alphastrahler bekannt seien, sagte er der taz. Davon gehe jedoch auch viel stärkere Gammastrahlung aus. Als „eigentlichen Skandal“ sieht Bertram jedoch die laxen Sicherheitskontrollen: „Gebetsmühlenartig wird von den Betreibern immer wieder die hermetische Abriegelung des Spaltstoffmaterials betont“, sagte er. Der aktuelle Fund zeige, dass die von Atomkraftgegnern immer wieder gerügten Sicherheitsmängel „real existieren“. REIMAR PAUL