Alleen werden zur bedrohten Art

Das lang erwartete Alleenschutz-Konzept des Landes Brandenburg wird von Naturschützern heftig kritisiert. Der Grund: Der Bestand schrumpft in den nächsten Jahrzehnten um ein Drittel. Alleenschutzgemeinschaft fürchtet „Kahlschläge“

Der Name klingt modern und zukunftsweisend: „Strategie 21“ hat Brandenburgs Infrastukturminister, Reinhold Dellmann (SPD), sein lang erwartetes Konzept für die Zukunft der Alleen genannt. Und natürlich ist Dellmann davon überzeugt, dass es keine bessere Strategie für die prachtvollen Naturdenkmäler gibt: „Sie sichert den Bestand für die kommenden 100 Jahre.“

Die wichtigsten Eckpunkte des Konzepts: Jedes Jahr sollen die Behörden an Bundes- und Landesstraßen 5.000 Bäume pflanzen, was rund 30 Kilometern Allee entspricht. Dabei will Dellmann das Verhältnis 1:1 zwischen gefällten und nachgepflanzten Bäumen beibehalten. Zudem werden bevorzugt regionaltypische Arten nachgepflanzt. Wo also bisher Linden standen, sollen wieder Linden hin. Dem Minister schwebt generell Großes vor: „Wir werden in Zukunft verstärkt ganze Alleenabschnitte neu pflanzen und weniger den Einzelbaum in den Mittelpunkt stellen.“

Naturschützer packt bei solchen Sätzen eher das kalte Grausen. Für „äußerst beunruhigend“ hält Wolfgang Mädlow vom Naturschutzbund Brandenburg (Nabu) die Pläne des Ministers. „Sie werden gravierende Folgen für den Bestand in den nächsten Jahrzehnten haben.“ Zwei Drittel aller Alleebäume in Brandenburg sind über 80 Jahre alt. Weil sie durch Abgase und Tausalz stark belastet sind, müssen viele in nicht allzu ferner Zukunft gefällt werden. „Die Behörde will 5.000 Bäume im Jahr pflanzen, aber die Zahl der Fällungen wird in den nächsten Jahren weit darüber liegen“, so Mädlow.

Tatsächlich nimmt das Ministerium die Schrumpfung des Bestands um ein Drittel bewusst in Kauf. Laut einem Gutachten, das es selbst in Auftrag gegeben hat, steigt die Zahl der Fällungen von 6.000 im Jahr 2007 auf 9.000 im Jahr 2010. „Erst in 60 Jahren sind wir wieder auf dem heutigen Stand. Vorausgesetzt, alle erinnern sich in 30 Jahren noch an das Konzept“, kritisiert Mädlow. „Das hat mit Alleenschutz nichts zu tun.“

Auch die grüne Bundestagsabgeordnete und Vizechefin der Alleenschutzgemeinschaft, Cornelia Behm, fordert eine „massive Nachbearbeitung“ des Konzepts. Sie kritisiert, dass das Ministerium Einzelbaumpflanzungen in Lücken für wenig sinnvoll erachtet – und stattdessen lieber Tabula rasa machen will. „Werden solche Standards durchgesetzt, sind Kahlschläge von tausenden Kilometern vermeintlich ‚unperfekter‘ Alleen die Folge.“ Laut Behm würden nachgepflanzte Bäume schnell nachwachsen und innerhalb weniger Jahre wieder für einen perfekten Eindruck der Baumreihe sorgen. Auch Nabu-Experte Wolfgang Mädlow plädiert für einen schonenden Alleenerhalt.

Er verweist auf das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. Während in Brandenburg wegen der Nachlässigkeit der Behörden in den vergangenen Jahren nicht mal 1:1 nachgepflanzt wurde, schaffe das Nachbarland durch eine striktere gesetzliche Verankerung sogar das Verhältnis 1:2. Und das tut nicht nur der Natur gut, findet Mädlow: „Auf lange Sicht bedeutet das beim Tourismus einen echten Wettbewerbsvorteil.“ ULRICH SCHULTE