: Die juristische Frage bei der Recherche
„ICH KAUF MIR EINE ZEITUNG“ Zur sonntaz vom vergangenen Wochenende
In der sonntaz vom 2./3. April erschien eine aufwendige Undercover-Recherche. Diverse Zeitungen und Zeitschriften wurden von zwei taz-Journalisten verdeckt als Anzeigenverkäufer besucht. Die beiden Journalisten wollten herausfinden, wie weit sich die Pressehäuser an die branchenüblichen Regeln halten, nach denen ein von einem Anzeigenkunden gekaufter Text auch klar als Anzeige erkennbar und gekennzeichnet sein muss. Das Spektrum der Zeitungen reichte von lokal bis überregional, von seriös bis Boulevard.
Die Einzelfälle und das „Marienhof“-Urteil
Der taz-Justiziar Peter Scheibe riet aus juristischen Gründen von einer Veröffentlichung der Geschichte ab: Es bestehe ein zu großes Risiko auch juristischer Auseinandersetzungen mit den Verlagen, die bei der Recherche nicht gut wegkämen. Zunächst teilt er nicht die Meinung, dass zumindest sämtliche geschilderten Beispielfälle per se der strengen Kennzeichnungspflicht mit dem Wort „Anzeige“ nach dem jeweiligen Landespressegesetz unterliegen müssen, zumal die entsprechenden Vorschriften das ausdrücklich nur verlangen, soweit die Veröffentlichung nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, und dieser Maßstab nur an die konkrete Veröffentlichung angelegt werden kann. Also neu für jeden Einzelfall. Darüber hinaus sind bestimmte Praktiken der verdeckten Recherche in der Regel nicht möglich und setzen ein besonderes öffentliches Interesse voraus. Anhand der Vorgaben des in der taz zitierten Urteils des Oberlandesgerichts München aus dem Jahre 2005 im Zusammenhang mit dem damaligen Schleichwerbeskandal bei der ARD-Serie „Marienhof“ lässt sich nach Auffassung des Justiziars ein solches öffentliches Interesse im juristischen Sinne hier nicht von vornherein herleiten. Die rechtliche Abwägung, die Presserechtler bei jedem kritischen Artikel leisten müssen, fiel also zuungunsten der Geschichte aus.
Die Chefredaktion hat sich ausnahmsweise trotzdem entschlossen, den Artikel zu veröffentlichen, selbst wenn dies juristische Auseinandersetzungen zur Folge hätte, da manche Zeitungen unserer Meinung nach bei ihren betroffenen Abteilungen keinesfalls geeignete Kontrollmechanismen installiert haben. Auch die Kennzeichnung der gekauften Seiten ist oft mangelhaft. Dies sollte der Öffentlichkeit bekannt sein, daher die Veröffentlichung. Juristisch gesehen ist das wohl eine nicht unbedingt nachvollziehbare Vorgehensweise. Aber manchmal ist die taz eben die taz. DIE TAZ-CHEFREDAKTION