PALÄSTINA: DIE CHANCEN FÜR DIE NEUE REGIERUNG STEHEN SCHLECHT : Bündnis ohne Basis
Eine Regierung, wie sie das palästinensische Parlament am Wochenende verabschieden soll, hätte die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schon vor einem Jahr haben können. Noch kurz nach ihrer überraschenden Wahlschlappe lehnte sie aus gutem Grund dankend ab. Nur aus einem Grund lenkt der Präsident nun ein: Er hat keine Wahl. Um den Bürgerkrieg abzuwenden und die Not seines Volkes zu lindern, muss er in den sauren Apfel beißen und einem Bündnis zustimmen, dem es an jeder gemeinsamen Basis mangelt.
Im Schatten der Straßenkämpfe brennen Internetcafés und Apotheken, weil sie offen mit Kondomen handeln. Mit Drogenhändlern und Prostituierten machen die Islamisten im Gaza-Streifen kurzen Prozess. Nur breiter Protest der Bevölkerung verhindert, dass der Beschluss des Erziehungsministeriums umgesetzt wird, tausende Bücher zu verbrennen, weil sie angeblich moralisch verwerflich seien. Dabei geht es um 45 Erzählungen, die über Generationen mündlich überliefert wurden. Der Kampf zwischen der radikalislamischen Hamas und Fatah ist gleichermaßen politisch wie ideologisch.
Ob es den künftigen Kabinettsmitgliedern gelingt, ihre Differenzen zu überwinden, hängt auch davon ab, wie weit sich das für sie lohnt. Sollte die internationale Blockade nicht aufgehoben werden und die israelische Regierung nicht, wie ankündigt, die palästinensischen Steuer- und Zollgelder freigeben, sind die Überlebenschancen der nationalen Einheitsregierung gering.
Für die Palästinenser wie für Israel gilt es jedoch, Zeit zu gewinnen. Die Palästinenser müssen einen Bürgerkrieg abwenden, und Israel bleibt vorerst nichts übrig, als auf die nächsten palästinensischen Wahlen zu warten – in der Hoffnung, dass die Fatah dann wieder allein regiert. Wer die bis dahin verbleibenden drei Jahre so unblutig wie möglich überbrücken will, muss der neuen Regierung eine Chance geben und die verhängten Sanktionen überdenken. Ein Scheitern von Abbas und Hanijeh würde unweigerlich zu neuer Gewalt und Eskalation führen. SUSANNE KNAUL