: „Wir sind ein vegetarisches Unternehmen“
ONLINEMEDIEN Peter Sunde, Mitgründer des Mikrobezahlsystems Flattr, über Journalismus, Demokratie und Katzenvideos
■ 33, Informatiker und Mitgründer des schwedischen Unternehmens Flattr. Das Mikrobezahlsystem funktioniert so: Medienanbieter platzieren auf ihrer Website einen Button, den Nutzer anklicken können, wenn ihnen ein Inhalt gefällt. Ein zuvor bestimmtes Budget wird am Monatsende auf alle Klicks aufgeteilt.
INTERVIEW ELISA HEUSER
taz: Herr Sunde, auf taz.de wurden ein emotionaler Kommentar und eine investigative Reportage jeweils 150-mal geflattert. Sagen Flattr-Klicks etwas über den Wert einer journalistischen Arbeit aus?
Peter Sunde: Man kann die beiden Artikel nicht vergleichen, wie sich auch ein Katzenvideo, das ich in 2 Minuten aufgenommen und auf Youtube hochgeladen habe, nicht mit einem Kunstfilm vergleichen lässt, an dem ein Jahr gearbeitet wurde. Aber beides hat für den jeweiligen Nutzer einen Wert. Wir müssen lernen, dass wir keine Preisschilder an einen Inhalt heften können. Man muss den Leser die Chance geben, selbst zu entscheiden, wofür und wie viel er zahlt.
Besteht die Gefahr, dass Journalismus dadurch sehr einseitig wird und nur gefällige Inhalte produziert werden?
Jeder Mensch braucht Abwechslung. Auch wenn alle übereinstimmen, dass das ein wirklich süßes Katzenvideo ist, wird man sich nach wie vor für andere Themen interessieren. Wenn eine Zeitung den Mix nicht anbietet, wird sie Leser verlieren und nur noch die Katzenliebhaber halten.
Sollte der beliebte Autor alle Flattr-Einnahmen bekommen?
Nein. Wie in jeder Firma gibt es Produkte, die keine großen Herstellungskosten haben und viel Geld einbringen. Dann sollte man aber dieses Geld nehmen und damit ein anderes Projekt finanzieren, das auch einen Wert für die Gesellschaft hat.
Kommt Flattr einem unabhängigen Journalismus zugute?
Unabhängigen Journalismus gibt es nicht, man muss immer sehen, wie man sein Essen bezahlt. Aber es geht darum, mehr oder weniger abhängig zu sein.
Welche Bezahlmethode eignet sich am besten für Onlinejournalismus?
Das hängst ganz vom Medium und den Lesern ab. Flattr-Nutzer halten Flattr für das optimale, und Paypal-Fans finden Paypal besser, also sollte man möglichst viele Möglichkeiten anbieten. Und eigentlich ist es egal, ob man Inhalt online oder offline nutzt; wenn es einen Wert für dich besitzt und du mehr davon willst, ist es ganz natürlich, dass du das Projekt finanziell unterstützt. Über Flattr kann man sowohl schon Produziertes bezahlen und genauso kommende Projekte vorfinanzieren.
Ist Flattr ein Beitrag zu einem gerechteren Kapitalismus?
Ja. Ich will die Macht von den großen kapitalistischen Firmen, die den Markt kontrollieren, wegnehmen. Flattr ist demokratisch und gibt allen Menschen die Möglichkeit, zu sagen, was ihnen gefällt und was nicht. Dabei ist Flattr gerecht und ungerecht zur gleichen Zeit, weil es einem Individuum dieselbe Macht gibt wie einem Unternehmen. Tim Pritlove als einzelner Blogger verdient durch Flattr wohl mehr als die ganze taz.de-Redaktion. Das ist ungerecht.
Und wie geht es in Ihrem Unternehmen zu?
Wir bezeichnen uns als ein sozialistisches Unternehmen. Jeder von uns bekommt das gleiche Gehalt. Wir sind ein vegetarisches Unternehmen, es wird kein Geld für Fleisch- oder Lederprodukte ausgegeben. Wir glauben, dass wir eine soziale Verantwortung haben. Aber nicht jeder bei Flattr ist ein Sozialist – noch nicht. Wir sind politisch, aber links.
■ Elisa Heuser, 21, nahm im März 2011 am Workshop der taz Panter Stiftung teil und studiert in Mannheim Geschichte und BWL