Abstiegsrucksack wird ein wenig leichter

Zum Debüt reicht Dortmunds Neu-Trainer Thomas Doll ein torloses Remis gegen Nürnberg, um einen Neuanfang im Abstiegskampf zu verkünden. Nach der Stabilisierung der Defensive muss der BVB nun an der Treffsicherheit arbeiten

DORTMUND taz ■ Hans Meyer hat einen schlechten Tag gehabt. Seine Sprüche waren müde Wiederholungen. Die Pointen saßen schlecht. Vielleicht wollte sich der Trainer des 1. FC Nürnberg als Gast aber auch nur dem Niveau anpassen, das Josef Schneck vorgegeben hatte. Der Pressesprecher von Borussia Dortmund gratulierte den Gewinnern des Tippspiels, die das 0:0 vorhergesagt hatten, „sogar mit dem richtigen Halbzeitergebnis“. BVB-Trainer Thomas Doll verfolgte die humoristischen Versuche seiner Nebenleute, ohne auch nur im Ansatz ein höfliches Grinsen erkennen zu lassen. Er schaute sogar ein wenig wie der Mann, den die Berliner Zeitung einmal den „Knurrer von Kerkrade“ nannte. Er heißt Huub Stevens und ist Trainer des Hamburger SV, also der Nachfolger von Doll.

Der Niederländer Stevens wurde in Deutschland mit humorlosem Fußball bekannt, dem er das Leitmotiv gab: „Die Null muss stehen.“ Doll hatte diesen Satz in den wenigen Tagen, in denen er nun beim BVB arbeitet, häufig bemüht. Es war seine Überschrift für die Lektion eins, die er den Borussen schnell beibringen musste, da sie zuvor in drei verlorenen Spielen neun Gegentore hingenommen hatten.

Die erste Praxisübung unter Doll bestanden die Dortmunder am Samstag. Die Viererkette stand sicher, obwohl Innenverteidiger Christoph Metzelder wegen einer schweren Prellung über dem Auge schon nach elf Minuten ausgewechselt werden musste. Das Mittelfeld mit zwei defensiven Kräften in der Zentrale (Sebastian Kehl, Tinga), wirkte weniger anfällig als in den vergangenen Wochen unter Jürgen Röber. Da sich die beiden äußeren Mittelfeldspieler Steven Pienaar und Florian Kringe auch dem Sicherheitsdenken verpflichtet fühlten, kam der BVB nur selten zu Erfolg versprechenden Angriffen. „Ganz klar, wir müssen am Spiel nach vorne arbeiten“, sagte Doll. Das wird Lektion zwei sein, in der niemand vergessen darf, was in Lektion eins erarbeitet wurde.

Die Nürnberger waren nach Dolls Ankündigungen auf einiges gefasst. Aber ganz so vorsichtig hätten sie den Gegner doch nicht erwartet. „Es war so schwer, weil die so tief standen“, stöhnte Jan Polak. Thomas Doll fasste es als Kompliment auf: „Es war ganz wichtig, dass wir im Mannschaftsverbund kompakt stehen. Das war sehr gut.“ Die Schüler lobten den Lehrer und indirekt auch die Vereinsführung, die dem Ruf vieler Fans nicht gefolgt war, einen „Zuchtmeister“ zu verpflichten. „Einige sind eh schon angeknackst. Da hilft die Peitsche nicht“, sagte Christian Wörns.

Die warmen Worte flogen wie beim Pingpong hin und her. So wurde das 0:0 mit einer schwachen ersten und einer engagierten zweiten Halbzeit (Doll: „Da haben wir den Rucksack ein wenig abgeworfen.“) einmütig als „Neuanfang“ gewertet. Darauf ließe sich aufbauen, sagte er.

Für die folgenden Lektionen bleiben ihm wegen der Länderspielpause jetzt knapp zwei Wochen Zeit. Die beiden kommenden Spiele führen den BVB zu Abstiegskonkurrenten nach Bielefeld und Aachen. Zwei der nur noch drei Heimspiele müssen die Dortmunder gegen die derzeit besten Mannschaften der Bundesliga, Werder Bremen und Schalke 04, bestreiten. „Die Lage ist kritisch, aber wir dürfen nicht die Nerven verlieren“, sagte Wörns mit Blick auf die Tabelle, die der Borussia als 15. zwei Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz bescheinigt. Wörns war einer der BVB-Profis, die Röber in seinem vernichtenden Abschiedszeugnis namentlich erwähnte. Doll hatte das Interview auch gelesen. Er fand es gar nicht lustig: „Heute haben sich die Jungs zerrissen.“ MARCUS BARK