: SPD verteilt Erziehungsknöllchen
SPD-Fraktionschef Müller will unwillige Eltern mit Geldstrafen zur Erziehung verdonnern. Erziehungsexperten und Grüne lehnen das Bußgeld ab. Statt zu kassieren, solle man überforderten Eltern lieber unter die Arme greifen
Der Vorstoß von SPD-Fraktionschef Michael Müller, erziehungsunwillige Eltern zukünftig mit Bußgeldern zu belegen, löst bei Erziehungsexperten Kopfschütteln aus. Eckard Laube, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Schulleiter, zeigte sich „äußerst skeptisch“ gegenüber dem Ansinnen, Eltern von Schulschwänzern und aggressiven Kindern zur Kooperation mit Behörden zu zwingen.
Es sei zwar notwendig, Eltern stärker als bisher für die Erziehung ihres Nachwuchses in die Pflicht zu nehmen, sagte Laube. Doch finanzielle Sanktionen verfehlten das Ziel. Hinter notorischem Schulschwänzen steckten oft massive familiäre Probleme, die man nur durch intensive Zusammenarbeit zwischen Schule, Jugendhilfe und Familienfürsorge beseitigen könne.
Um bei aggressiven Jungstraftätern einen Lerneffekt zu erzielen, sollten diese durch beschleunigte Strafverfahren „die Konsequenzen ihres Tuns zeitnah erfahren“, fordert der Schulleiter der Schöneberger Spreewald-Grundschule. Die überforderten Eltern aber brauchten keine Bestrafung, sondern pädagogische Unterstützung von Fachleuten.
Auch Mahmud El Hussein von der Arabischen Elternunion kritisierte den SPD-Vorschlag. „Wir brauchen keine Zwangsmaßnahmen, sondern Dialog“, sagte El Hussein. Die Schulen müssten alle Möglichkeiten ausschöpften, um betroffene Eltern zu erreichen. In der Zusammenarbeit mit Migranten seien etwa runde Tische mit Lehrern, Sozialpädagogen und Migrantenorganisationen hilfreich, um Berührungsängste gegenüber deutschen Institutionen abzubauen.
Müller hatte angeregt, dass die Jugendämter an Eltern, die sich Gesprächen mit den Behörden verweigerten, Bußgeldbescheide von 50 bis 100 Euro zustellen sollten. „Ziel ist es, Eltern verstärkt an ihre Verantwortung zu erinnern und Konsequenzen einzufordern“, sagte Müller am Freitag. Wenn alle anderen Angebote nicht fruchteten, müsse man zu finanziellen Sanktionen greifen. Derzeit prüfe man, ob dies juristisch möglich sei.
Für die Bußgeld-Idee müsste das Kinder-und Jugendhilfegesetz des Bundes geändert werden. Bisher dürfen nur die Bezirke Bußgelder erheben und Eltern von Schulschwänzern mit bis zu 2.500 Euro zur Kasse bitten. In Neukölln, wo diese Sanktionsmöglichkeit gerne genutzt wird, stellte der Bezirk laut Bezirksbildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) im letzten Jahr 200 Bescheide zu. Wie erfolgreich diese Praxis im Kampf gegen das Schulschwänzen tatsächlich ist, ist allerdings nicht bekannt.
Volker Ratzmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen, bezeichnete das Elternbußgeld als „populistischen Unsinn“ und verfassungsrechtlich bedenklich, da es ins Erziehungsrecht der Eltern eingreife. „Statt die Verwaltungen mit unnötigem Mehraufwand zu belasten, sollte man lieber die Jugendhilfestrukturen ausbauen und mehr Geld in präventive Sozialarbeit investieren“, sagte Volker Ratzmann. „Einsicht und Zusammenarbeit erreicht man nicht mit Bußgeldbescheiden“.
NINA APIN