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Archiv-Artikel

Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Vier Leute sitzen am Freitagnachmittag hoch oben auf der Pyramide, die Cyprien Gaillard in den Kunst-Werken als Hommage an den Pergamonaltar aufgebaut hat. Dieser ist bekanntlich rund einen Kilometer weiter östlich auf der Museumsinsel zu finden, nachdem er ab 1878 im Gebiet um Pergamon und Ephesus ausgegraben und wesentliche seiner Teile ab 1879 nach Berlin verschifft worden waren. Es handelt sich um eine Punk-Hommage und deshalb sind die Typen auf dem Gipfel der Pyramide schon auch so eine Art Giganten. Zwar haben sie den Kampf nur mit einem griechischen Gott aufgenommen, Dionysos, dem Gott der Trunkenheit, sitzen sie doch auf einem Berg aus 72.000 Bierflaschen der türkischen Marke Efes, benannt nach der Stadt Ephesos. Trotzdem ist das Schlachtfeld nicht ohne Tücken, voll von Glasscherben zertrümmerter Pilsenerflaschen, und auch die Stabilität der Pyramide hat sich seit der Eröffnung merklich vermindert, in dem Maße, in dem die Six-Pack-Kartons trinkend leer- und abgeräumt wurden. An sich soll die Installation ja bis zum 22. Mai laufen, aber ich gehe jede Wette ein, dass lange vorher Schluss ist. Der Sieg der Giganten, das ist abzusehen, wird ihre Niederlage sein.

Der Cyprien Gaillard (Jg. 1980) aktualisiert in seinem Werk die romantische Idee von Größe, die erst und nur im Verfall erkennbar wird, in dem er sie im sozialutopischen oder zumindest sozialreformerischen Potenzial der Architektur, des Designs und der Kunst der Moderne hervorholt beziehungsweise indem er sie in der allem musealen Bewahren vorausgegangenen Zerstörung denunziert. Wenig erstaunlich also, dass neben „The Recovery of Discovery“ auch viele andere seiner vandalistischen, mit Rauch- und Nebel geschwängerten Arbeiten stark nach typischem Jungsding riechen. Jungs sind eben unheilbare Romantiker.

■ Bis 22. Mai, Cyprien Gaillard, The Recovery of Discovery, KW, Auguststr. 69, Di–So 12–19 Uhr, Do 12–21 Uhr