: Kirche contra Vattenfall
LESETAGE Trotz Protests nimmt das Programm seinen gewohnten Lauf. Kleine Erfolge können aber auch die Gegner des strittigen Sponsoren verzeichnen
Markus Orths, Autor
Ein gelber Aufkleber ziert das Programm in der Spalte des 7. April: „Verlegt“ worden ist demnach die Veranstaltung „Die Unsichtbare Nacht“, von der St. Johanniskirche in Altona ins Museum für Kunst und Gewerbe – und Markus Orths, der dort unter anderem hätte lesen sollen, ist nicht mehr dabei. Ein Erfolg, finden Kritiker der vom Atomstromkonzern Vatenfall gesponsorten Lesetage.
Sie hätten „unseren Augen nicht getraut“, sagt Astrid Matthiae von der Initiative Moorburgtrasse-stoppen: Die Kulturkirche St. Johannis als Veranstaltungsort im Lesetage? Und das wo doch unweit der Kirche gerade ein Park besetzt worden war, durch den der Energiekonzern eine Fernwärmetrasse legen wollte, für das in Bau befindlichen Kohlekraftwerk Moorburg.
Die Initiative sei in Kontakt getreten mit einem der Pastoren und weiteren an der Planung beteiligt Personen, erzählt Matthiae – und habe sie dazu bewegen können, die Veranstaltung abzusagen.
Niels Kiesbye, Pastor der Kirchengemeinde Altona Ost, erklärt die Situation so: „Zu unserer Gemeinde gehören drei Kirchen, von denen wir die St. Johanniskirche auch kommerziell nutzen müssen, um den Unterhalt finanzieren zu können.“ Für die Vermietung sei die Kulturkirche Altona GmbH zuständig, „und die hat es leider versäumt, mit uns Rücksprache zu halten“.
Ob der Proteste habe man Vattenfall wissen lassen, dass ein Großteil der Gemeinde dem Konzern kritisch gegenüber stehe. Ja, es habe sogar damit gerechnet werden müssen, dass die Lesung gestört würde. Vattenfall habe daraufhin von einer Anmietung abgesehen.
Der Zwischenfall werde in der Gemeinde sehr unterschiedlich gesehen, sagt Kiesbye. Er selbst habe keine Einwände gehabt gegen den strittigen Sponsoren: So viele Möglichkeiten gebe es für Schriftsteller ja nicht, ihre Arbeit gegen Honorar vorzustellen.
Dass der Autor Markus Orths seine Teilnahme an derselben Veranstaltung absagte, hat mit dem Engagement der Fernwärmetrassen-Initiative nichts zu tun. „Es gibt eben blinde Menschen, die erst aufwachen, wenn etwas passiert“, sagt Orths, „wer aber noch nicht einmal dann reagiert, ist wirklich blind.“ Nach einer Diskussion mit dem Konzernsprecher über Vattenfalls Pläne, die AKWs Krümmel und Brunsbüttel wieder anzufahren, habe festgestanden: „Ich will kein Honorar von einem Konzern, der sein Profitdenken über die Sicherheit anderer stellt“, sagt Orths.
Nach Angaben der Lesetage-Presseverantwortlichen ist er allerdings der einzige von rund 150 Mitwirkenden, der wegen der Ereignisse in Fukushima nicht mehr für den Energiekonzern lesen wollte. LPZ