: Ex wie Experiment
EXPERIMENTAL-PUNK Alles verändert sich, wenn du dich veränderst: Seit 1979 haben sich die Amsterdamer „The Ex“ immer wieder neu erfunden und die Grenzen des Punk erweitert
VON KNUT HENKEL
Alte Punkbands gibt es wie Sand an Meer. Die einen blasen in penetranter Regelmäßigkeit zum Revival, klettern ein vorletztes, aber nie ein letztes Mal auf die Bühne; die anderen haben so viel Anstand, sich mit ihrem Revival ein halbes Leben Zeit zu lassen – dann wird man vielleicht Zeuge, dass sie nicht auf der Stelle getreten sind. Und dann gibt es eine Band, die einfach vergessen hat aufzuhören. Und das muss überhaupt nichts Schlimmes bedeuten – vorausgesetzt man bekommt es hin, immer wieder neu und zugleich nach sich selbst zu klingen.
Das kommt im wirklichen Leben eigentlich nicht vor, aber im Fall von „The Ex“ ist es so. Die Amsterdamer gibt es seit 1979 und mit Gitarrist Terrie Hessels ist noch ein Mann der ersten Stunde dabei. 32 Jahre Punk-Rock und immer noch was auf der Pfanne? Exakt, denn die Holländer klingen mit fast jedem Album, als hätten sie sich wieder neu erfunden: Überraschungen garantiert, immer spannend und experimentierfreudig.
Die Grenzen des Punk haben die Hausbesetzer aus Amsterdam seit ihren ersten musikalischen Gehversuchen als Herausforderung begriffen – als Einladung sie zu dehnen, zu erweitern, zu kombinieren und zu fusionieren. Auf rhythmische Sightseeing Tour in den vorderen Orient gingen sie schon Mitte der 80er Jahre, mit „Sonic Youth“ waren sie im Studio, haben ausgelotet, was der Jazz für sie zu bieten hat und haben dem Industrial ihre Aufwartung gemacht. Und immer haben sie ihre musikalischen Exkursionen mit ihrer eigenen rhythmischen Basis verbacken – dem Punk.
Dabei haben die Holländer nie ein Blatt vor den Mund genommen, kritisiert und immer wieder Haltung bewiesen. 1981, als sie für den bewaffneten Kampf in El Salvador eintraten; 1984, als sie aus Solidarität mit dem britischen Bergarbeiterstreik tourten und den Erlös nach England transferierten, um die klammen Streikkassen der Kumpel zu füllen. Die zogen letztlich zwar den Kürzeren gegenüber der eisernen Lady Margaret Thatcher, aber an „The Ex“ hat’s nicht gelegen. 1986 veröffentlichten sie dann eine Single zum spanischen Bürgerkrieg von 1936, wobei sie dem anarchistischen Widerstand das komplette Booklet widmeten. In der Szene kamen das Engagement und der Sound der kreativen Holländer gut an: Bands wie „Fugazi“, „Sonic Youth“ oder „Chumbawamba“ gelten als überzeugte Fans der kompromisslosen Avantgardisten. Und Jazzlegende Tom Cora hat einen Narren an den Crazy Dutchmen gefressen, mit denen er gleich zwei Alben aufnahm. Nach ihrem Äthiopien-Ausflug und einer anschließenden Tour mit dem Saxophonisten Getatchew Mekuria ist es etwas ruhiger um die Band geworden. Man darf gespannt sein, womit „The Ex“ im Hafenklang aufwarten.
■ Do, 14. 4., 22 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84