LESERINNENBRIEFE
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Keine Verbesserung

■ betr.: „Mehr Geld für Asylbewerber“, taz vom 28. 8. 14

„Mehr Geld für Asylbewerber“ gibt es nicht durch die Kabinettsvorlage zur Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das 1993 ausdrücklich zur Abschreckung von Flüchtlingen erdacht und mehrfach verschärft wurde. Mehr Geld gibt es seit 2012, als das Bundesverfassungsgericht das „Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum“ für verfassungswidrig erklärt hat, denn „die Menschwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“. Damit war der – materielle – Kern des Gesetzes gefallen, und um den Rest zu retten, wird es nun novelliert. Der Rest besteht in reduzierter Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Papierlose, über die Behörden und nicht Ärzte entscheiden; die entsprechenden §§ 4 und 6 senken den gesundheitlichen Standard unter das physische Existenzminimum, aber darüber konnte das Gericht damals nicht entscheiden. Die Medibüros und medizinischen Flüchtlingshilfen in Deutschland versuchen seit Jahren, die Gesundheitsschäden, die das Gesetz anrichtet, zusammen mit engagierten ÄrztInnen, Krankenhäusern und Labors zu mildern. Sie müssen das weiterhin tun. Als einzige Verbesserung (§§ 4 a und b) wird jetzt die Notfallversorgung geregelt, zu der Kliniken prinzipiell verpflichtet sind. Sie war bislang immer erstattet worden, bis das Bundessozialgericht 2013 urteilte, sie sei vom Gesetzgeber nicht gewollt und liege eben im „unternehmerischen Risiko“ der Kliniken. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist seit 2012 auf ein Gesundheitsverschlechterungsgesetz für Flüchtlinge und Papierlose geschrumpft; diese Novellierung als „Verbesserung“ zu verkaufen, ist eine Dreistigkeit. Seine Abschaffung ist im Koalitionsvertrag Nordrhein-Westfalen vorgesehen; es wird Zeit, dass dies auch passiert. RAINER NEEF für die

Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen

Beispiel Rumänien und Bulgarien

■ betr.: „Die Westler ermutigen“, taz vom 29. 8. 14

„Wenn Berlin das Versprechen der Konferenz von Thessaloniki 2003 jetzt erneuert und erklärt, alle Staaten des westlichen Balkans – Exjugoslawien und Albanien – sollten wie Slowenien und Kroatien in die EU aufgenommen werden, gibt dies Hoffnung für die Bevölkerungen dort“, schreibt Erich Rathfelder. Bevor man solche Hoffnungen preist, sollte man sich das Schicksal der Rumänen und Bulgaren, die seit sieben Jahren zur EU gehören, vor Augen führen.

Erst hat man sie mit dem Versprechen von Freizügigkeit in die Nato und dann die EU gelockt. Dann wurde die Lebenslage der ärmeren Menschen mit der von der EU beförderten Komodifizierung aller Lebensbereiche immer prekärer. Gleichzeitig hat Deutschland sieben Jahre lang die Arbeitnehmerfreizügigkeit verweigert und die nach Deutschland kommenden Arbeitssuchenden in Scheinselbständigkeit und Semilegalität gedrängt. Kaum konnte 2014 Deutschland diese Frist nicht mehr verlängern, geht es nun um angeblichen Sozialmissbrauch. In den Zeitungen hallt das Gesetzesvorhaben der großen Koalition, das die Freizügigkeit wieder einschränken soll, wider: „Der anstrengende Kampf gegen Zuwanderer – Wie Armutszuwanderer mit ihren Profi-Tricks den deutschen Staat betrügen“ heißt es im Focus. In Hamburg werden jetzt schon Bulgaren verjagt, wenn sie mangels Wohnunterkunft im Zelt übernachten. Die Europäische Union und insbesondere Deutschland müssen erkennen: Für die Armut in den östlichen EU-Ländern sind wir mit verantwortlich. Bekämpfung der Armut ist das Gegenteil zur Bekämpfung der Armen.

Im Gegensatz zu Rathfelder finde ich es deshalb überhaupt nicht positiv „dass Deutschland endlich versucht, die Zügel in Bezug auf den Balkan in die Hand zu nehmen“. MICHAEL ROTHSCHUH, Hamburg

Ungerechtigkeit bleibt Ärgernis

■ betr.: „Frauen verdienen weniger als die Hälfte“, taz vom 28. 8. 14

Dass Frauen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen ist zwar keine Neuigkeit, aber diese Ungerechtigkeit ist und bleibt ein Ärgernis! JULIA ENGELS, Elsdorf

Religionen sind Teil des Problems

■ betr.: „Christlich, modern, freiheitlich“, Leserbrief von Christian Fuchs, taz vom 28. 8. 14

Christian Fuchs empfiehlt uns in seiner Leserzuschrift: „Wir brauchen in Westeuropa christliche Mission im eigenen Land, denn längst missionieren dubiose Kräfte bei uns, radikale Moslems, Sektierer jeder Art“, schreibt er. Doch was soll daran gut sein, wenn man ein orientalisches Märchen (den Islam) mit einem anderen orientalischen Märchen (dem Christentum) zu bekämpfen versucht? Auch Christen sind oft fundamentalistisch, wie etwa die sogenannten Lebensschützer zeigen, die abtreibungswillige Frauen und deren Ärzte bedrohen. Oder die an der biblischen Schöpfungslehre orientierten Kreationisten, die gerne den Darwinismus aus den Schulbüchern entfernen würden.

Nein, Religion, egal welche, ist kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Religionen sind per se dogmatisch und deshalb intolerant. Außerdem werden sie von den Herrschenden häufig missbraucht. Was wir vielmehr brauchen, sind eine gerechtere Teilhabe am Wohlstand und bessere Bildungschancen. Armut destabilisiert bekanntlich ganze Länder. Und wer mehr über die Geschichte oder die Naturwissenschaft weiß, für den erledigt sich die Religion und der damit einhergehende Fundamentalismus meist von selbst. Religionen stehen nämlich, wissenschaftlich betrachtet, auf tönernen Füßen. Rückbesinnung? Ja, aber eine auf Demokratie und Menschenrechte. MICHAEL SCHÖFER, Mannheim