Punk ist tot, Chuckamuck und Noe leben

Punkrock soll ja, heißt es jedenfalls, tot sein. Ich wär mir da nicht so sicher, aber besser isses: Denn was der Punkrock dann erleben müsste, das würde ihm nicht gefallen, glaub ich. Der würde kotzen, der Punkrock, angesichts von Sum 41 oder Green Day. Mann, die haben jetzt ein Musical gemacht am Broadway. Nein, das fände der gar nicht gut, der Punkrock, der müsste vor lauter Frust gleich eine ganze Plastiktüte Dosenbier austrinken. Obwohl: Das ist ja auch nicht wirklich Punk, so am Kotti rumhängen und saufen. Nein, der Punkrock wäre ganz schön einsam heutzutage, aber er ist ja angeblich tot.

Wär er aber nicht tot, dann hinge er rum mit Chuckamuck. Die klingen auf ihrem Debütalbum „Wild For Adventure“ zwar nicht so wie die Sex Pistols, erst recht nicht wie The Clash oder die Ramones, aber doch, ja, sehr nach Punkrock. Vier Rotzgören, die angeblich gestern noch zur Schule gingen, ihre Instrumente unüberhörbar nicht beherrschen, aber trotzdem losrumpeln, als gehörte ihnen die Welt. Die Songs haben klasse Melodien, aber die sind prima versteckt unter einem Haufen Musikmüll, der aus den späten siebziger Jahren stammt, aber eine unterirdische Halbwertzeit besitzt. Der Sänger hat sich zuerst ein saumäßig lustiges Pseudonym zugelegt (Oska Wild), dann ein paar Texte über Mädchen, „Eis am Stil“ und ein paar andere Sachen („Ich hab aufgehört zu reden, denn dann hab ich mehr Zeit zu trinken, und ich hab aufgehört zu essen, denn dann hab ich mehr Zeit zum Rauchen“) geschrieben, und nun singt er sie, als könnte er sie gar nicht schnell genug wieder loswerden.

Das ist große Klasse, aber man wird halt auch das Gefühl nicht los, dass da jemand ziemlich clever ist. Dafür gibt es Indizien: Nicht nur der Rezensent von Zeit Online will beobachtet haben, dass der Bassist so gut ist, dass er schon so tun kann, als könne er gar nicht spielen. Der Sänger zeichnet nebenbei – natürlich – noch Comics, ist also eigentlich Künstler. Dann beweist ein Song wie „Gestern traf ich Dan Treacy“, der auf den Mastermind der legendären Television Personalities anspielt, dass der Punkrock nicht wie der Saure Regen über Chuckamuck kam, sondern durchaus ein ernsthaftes Studium der Pophistorie diesem demonstrativen Dilettantismus zugrunde liegt. Und schließlich: Ihr Label Staatsakt ist sonst die Zentralstelle für Pop, der am liebsten zu schlau für den eigenen Erfolg ist. Also: Vielleicht sind Chuckamuck vier abgefeimte Studiomucker, die gerade „The Great Rock ’n’ Roll Swindle II“ inszenieren. Na, wenn das kein Punk ist.

Auch an Noe ist ein Punk verloren gegangen. Der verbreitet auf „Ping Pong“ nicht nur eine angemessen nihilistische Weltsicht („Diese Stadt ist ein Grab für meine Träume und Ideen“), sondern lässt seinen Ska nicht nur hin und wieder ins Osteuropäische lappen, sondern mitunter auch mal in hemmungslosen Lärm aufgehen. Hier tut allerdings niemand so, als könne er nix. Das haben die Beteiligten schon bei der Vorgängerband De Ruths hinter sich gebracht. Geht aber trotzdem ab, könnte fast schon tot sein. THOMAS WINKLER

■ Chuckamuck: „Wild For Adventure“ (Staasakt/Rough Trade), live am 24. 4. im Rosis

■ Noe: „Ping Pong“ (Dingja Records), live am 15. 4. im Lindenpark Potsdam