: Die Doppelstrategie des Nursultan Nasarbajew
KASACHSTAN Präsident sucht die Nähe zu Moskau. In der Bevölkerung wächst die Angst vor den Russen
BISCHKEK taz | Ist Kasachstan ein Staat? Der russische Präsident Wladimir Putin hat Zweifel. „Die Kasachen hatten nie eine eigene Staatlichkeit, niemals“, sagte er bei einer Fragerunde auf einem Jugendfestival am 29. August in Twer. Erst Staatschef Nursultan Nasarbajew habe diese ermöglicht.
Der Kremlchef war zuvor gefragt worden, ob aufgrund der wachsenden nationalistischen Stimmung in Kasachstan ukrainische Verhältnisse drohen könnten.
In der Antwort lobte Putin zwar den 74-jährigen kasachischen Präsidenten, der die ehemalige Sowjetrepublik noch als kommunistischer Kader übernahm, als den „klügsten Staatschef“ im postsowjetischen Raum. Er sei bei bester Gesundheit, ginge nicht gegen sein Volk vor, und das kasachische Volk sei mehrheitlich für eine Kooperation mit Russland. „Er (Nasarbajew) hat Einzigartiges geleistet. Er hat einen Staat auf einem Territorium gegründet, auf dem nie ein Staat war“, dozierte der russische Staatschef.
Das ist ein wunder Punkt in Kasachstan. Putin stößt in das Horn des russischen Nationalisten Wladimir Schirinowski, der Kasachstan und den anderen zentralasiatischen Ländern die Staatlichkeit abspricht und im russischen Fernsehen in diesem Jahr forderte, ganz Zentralasien und damit auch Kasachstan zu einem Bezirk Russlands zu machen. Das kasachische Außenministerium protestierte gegen die Äußerungen des Vizesprechers der Duma.
In Astana und Almaty beobachten die Menschen sehr genau, was in der Ukraine vor sich geht. Zu groß sind die Ähnlichkeiten Die territoriale Unversehrtheit beider ehemaliger Sowjetrepubliken wurde im Gegenzug für die Abgabe von Atomraketen durch das Budapester Abkommen geschützt. In den nordöstlichen Provinzen Kasachstans lebt ein Großteil der russischen Minderheit, 20 Prozent einer Bevölkerung von 17 Millionen Menschen. Anders jedoch als in der Ukraine boomt in Kasachstan dank Öl und Gas die Wirtschaft.
Nähe zu Russland
Bisher fährt Nasarbajew eine Doppelstrategie. Er verlegte Ende der neunziger Jahren die Hauptstadt von Almaty aus dem Süden nach Astana in den Norden, um so möglichen separatistischen Fliehkräften an der russischen Grenze vorzubeugen. Seit der Annexion der Krim legte das Land Programme zu Übersiedlungen ethnischer Kasachen aus China, Zentralasien oder der Mongolei neu auf.
Gleichzeitig sucht Nasarbajew die Nähe zu Russland. Kasachstan gehört zu den Gründungsmitgliedern der eurasischen Zollunion. Die aufstrebende kasachische Mittelschicht in Städten wie Astana und Almaty besinnt sich seit der Ukraine-Krise aber zunehmend auf die kasachische Sprache und sieht Russland als Bedrohung. Nasarbajew spürt dies. Vergangene Woche sagte er, das Land werde die Zollunion verlassen, sollte seine Souveränität bedroht sein.
MARCUS BENSMANN