: TV-Sender kurzzeitig besetzt
PAKISTAN Die Gegner von Premierminister Nawaz Sharif bekämpfen bei Straßenschlachten die Polizei, folgen aber sofort den Befehlen des mit ihnen sympathisierenden Militärs
IMRAN KHAN, PROTESTFÜHRER
VON MICHAEL RADUNSKI
DELHI taz | In Pakistan haben sich die gewaltsamen Proteste gegen Premierminister Nawaz Sharif verschärft. Rund eintausend Demonstranten stürmten am Montag den staatlichen Fernsehsender PTV in der Hauptstadt Islamabad. Verteidigungsminister Khawaja Asif sagte, PTV-Angestellte seien als Geiseln genommen worden. Kurz zuvor hatte ein Nachrichtensprecher noch gemeldet, dass Mitarbeiter des Senders zusammengeschlagen würden. Wenig später trieb das Militär die Demonstranten wieder aus dem Gebäude.
Auch nahe der Residenz des Premiers kam es wieder zur Gewalt. Etwa 3.000 Regierungsgegnern versuchten, das Gelände zu stürmen. Mit Stöcken und Steinen bekämpften sie die Polizei. Diese setzte Tränengas ein. Am Wochenende waren bei den Auseinandersetzungen mindestens drei Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden.
Derzeit sind in Islamabad mehr als 40.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um das Regierungsviertel zu schützen. Sharif traf sich unterdessen mit Generalstabschef Raheel Sharif, um die Lage zu besprechen. Gerüchte, wonach der Premier zum Rücktritt aufgefordert worden sei, wurden zurückgewiesen.
Begonnen hatten die Proteste am 14. August, dem pakistanischen Unabhängigkeitstag. An ihrer Spitze stehen der ehemalige Kricket-Star Imran Khan und der populistischen Prediger Tahir ul Qadri. Sie werfen Sharif vor, die Parlamentswahl im Mai 2013 nur durch Wahlfälschung gewonnen zu haben. Damals wurde die Wahl als erster demokratischer Machtwechsel in der Geschichte Pakistans gefeiert. Nun fordern die Demonstranten Sharifs sofortigen Rücktritt. Eine Übergangsregierung aus Experten solle das Wahlsystem reformieren und Neuwahlen ausrufen. „Die Proteste sind eine große Gefahr für das Land“, sagt Manoj Joshi von der Observer Research Foundation in der indischen Hauptstadt Delhi. „Internationale Beobachter hatten die Wahl als fair bezeichnet. Deshalb sind die Vorwürfe jetzt nicht nachvollziehbar“, sagt er. Sharif müsse standhaft bleiben, gleichzeitig aber Brücken zu seinen politischen Gegnern bauen.
Derzeit ist keine Seite bereit nachzugeben: Während Sharif einen Rücktritt ablehnt, schworen die Protestführer Khan und Qadri am Sonntag ihre Anhänger auf einen langen Kampf ein. „Wir werden nicht abziehen, ohne Sharif zum Rücktritt gezwungen zu haben“, sagte Khan.
Neben der Regierung und den Demonstranten gibt es noch eine dritte Partei: das Militär. Das hegt eine tiefe Abneigung gegen die Regierung Sharif, seit dieser den Exgeneral und Exdiktator Pervez Musharraf wegen Landesverrat vor Gericht stellen ließ. Sollten die Proteste andauern, könnte die Armee Ausgangssperren oder sogar das Kriegsrecht verhängen. Noch mahnt die Armee eine politische Lösung „ohne Gewalt“ an.
Auch Joshi glaubt nicht an einen Putsch, eher an eine Art „Soft Coup“: „Das Militär manipuliert die Demonstranten für ihre Zwecke. Sie wollen die zivile Regierung so weit schwächen, dass die Generäle ihnen wichtige Politikfelder beeinflussen können, vor allem die Politik gegenüber Afghanistan oder Indien.“