: Ein Mann der leiseren Töne
WAHLEN In Brandenburgs Union dominierten lange die ultrakonservativen Politmacker. Der neue Spitzenkandidat macht es anders und wird zum möglichen Koalitionspartner
VON ANJA MAIER
BERLIN taz | Michael Schierack heißt der Mann, der in Brandenburg Ministerpräsident werden möchte. Das erklärt er jedenfalls in seinen weichgezeichneten Wahlwerbespots. Aber der CDU-Politiker aus Cottbus ist nicht naiv, er weiß, dass in dem Flächenland rund um Berlin weiter die SPD regieren wird. Das Einzige, was nach dem Wahlsonntag am 14. September infrage käme, wäre die Rolle des Koalitionspartners.
Dennoch, selbst wenn in Brandenburg alles beim Alten bleiben sollte – Schierack, der 47 Jahre alte Orthopäde aus Cottbus, kann schon jetzt zufrieden sein. Denn er hat etwas geschafft, was der Brandenburger CDU niemand mehr zugetraut hätte. Nach vielen Jahren der Querelen und Bezichtigungen, der Intrigen und Affären steht seine Partei endlich zusammen und rückt damit wieder in die Position eines möglichen Regierungspartners. Das ist, schaut man zurück, schon eine Menge.
Schieracks Vorgängerin im Amt der Landes- und Fraktionsvorsitzenden hieß Saskia Ludwig. Die „Rambo-Frau der Brandenburger CDU“ (Zeit) war immer wieder mit markigen Sprüchen und Gesten aufgefallen. Mal wollte sie alte DDR-Straßennamen umbenennen, dann wieder forderte sie eine dritte Landebahn für den bis heute nicht eröffneten Flughafen BER. Schließlich legte sie in der Rechtspostille Junge Freiheit ein Bekenntnis zu „Nation, unserer Herkunftslandschaft und unseren Familien“ ab. Irgendwann reichte es ihren Parteifreunden, sie fürchteten zu Recht um die Regierungsfähigkeit. Nach heftiger parteiinterner Kritik musste Saskia Ludwig im September 2012 als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurücktreten.
Dass Ludwig derart aus dem Ruder lief, war wohl auch ihrem politischen Ziehvater zu verdanken. Jörg Schönbohm war von 1999 bis 2009 höchst umstrittener Innenminister in Brandenburg. Mal forderte der einstige Generalleutnant der Bundeswehr, dass Zuwanderer die „deutsche Leitkultur“ respektieren müssten, dann wiederum erklärte er nach einer spektakulären Kindstötung, Ursache „für die Zunahme von Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“ in Brandenburg sei „die vom SED-Regime erzwungene Proletarisierung“.
Es waren Einlassungen, die nicht nur bei den Brandenburger WählerInnen Widerwillen hervorriefen, sondern auch die ohnehin zerstrittene Landespartei noch tiefer spalteten. Auch die regierende SPD geriet zusehend unter Rechtfertigungsdruck wegen ihres Koalitionspartners. Nach der Landtagswahl 2009 entschied man sich folgerichtig für ein Bündnis mit der Linken. Die CDU hatte nur noch 19 Prozent Zustimmung.
Nun, fünf Jahre später, könnten wieder CDU-Abgeordnete auf der Regierungsbank Platz nehmen. In seinen knapp zwei Amtsjahren hat der neue Landesvorsitzende Michael Schierack dafür gesorgt, dass in seiner Partei wieder mit- statt übereinander geredet wird. Nachdem er im April dieses Jahres auch den Fraktionsvorsitz im Landtag übernommen hatte, war er vor allem damit beschäftigt, sich als Spitzenkandidat bekannt zu machen. Anders als seine Vorgänger ist er eher von der leisen Sorte.
Das könnte die Brandenburger nach all den Jahren der Breitbeinigkeit überzeugen. Schon bei der Bundestagswahl haben die CDU-KandidatInnen neun von zehn Wahlkreisen gewonnen. Nun, ein Jahr darauf, liegt Schieracks CDU laut Infratest/dimap bei guten 27 Prozent.