: Rentner im Glück
Franz Müntefering kündigt nach drei Nullrunden eine Erhöhung der Rente um 0,54 Prozent an. Das sind für eine Westfrau im Durchschnitt 2,50 Euro
VON MARTIN MÜLLER
Bisher ist „Der Aufstand der Alten“, der im gleichnamigen ZDF-Mehrteiler heraufbeschworen wurde, noch ausgeblieben. Es gab keine revoltierenden Rentner, denen von den Jungen der Generationenvertrag gekündigt wurde. Aufregung gibt es höchstens, wenn junge mit greisen Studenten um die Plätze im Hörsaal ringen. Oder wenn die Ruhebedürftigen unter den Pendlern eine lärmende Rentnerfraktion auf Wanderschaft zur Räson bringen wollen.
Fest steht dennoch: Viel Geld haben die Rentner nicht für ihren Lebensabend. Männer bekommen derzeit in Westdeutschland im Schnitt 976 Euro Altersrente im Monat, bei Frauen sind es sogar nur 465 Euro. Im Osten wird mit 1.056 und 663 Euro etwas mehr auf die Konten überwiesen.
Das soll anders werden: Jetzt können sich die Rentner endlich wieder über eine Rentenerhöhung freuen, die erste seit 2003. Nach drei Nullrunden in Folge bekommen die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland bald zumindest etwas mehr Geld. „Es wird zum 1. Juli dieses Jahres eine Anhebung der Renten um 0,54 Prozent geben“, sagte Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) gestern in der ARD. Die positiven Entwicklungen bei Löhnen und Beschäftigung machen es möglich. Dass das Bundeskabinett und der Bundesrat der Rentenerhöhung zustimmen, gilt als sicher.
Werbung und Produktentwicklung gehen langsam darauf ein, dass die Gesellschaft immer älter wird und im Jahr 2050 wohl mehr als doppelt so viele mindestens 60-Jährige im Land leben werden wie bisher. Auch gesundheitlich geht es den Rentnern immer besser. Solidarisches Zusammenleben in Senioren-WGs verhindert das Abwandern ins Altersheim. Ein Mallorca-Urlaub oder ein neuer Treppenlift sind mit der Rentenerhöhung aber trotzdem nicht drin. Eine Frau im Westen kann nun mit einer Rentenerhöhung von 2,50 Euro rechnen. Das sind gerade mal drei Schokoriegel mehr im Monat. Von den 1,2 Milliarden Euro, die zusätzlich pro Jahr an die Rentner fließen, bleiben ihr also nicht viel.
Doch nicht einmal die Süßigkeiten sind sicher: „Die Rentenerhöhung ist für die Rentner ein Nullsummenspiel“, meint Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland. Durch die Anhebung der Krankenkassenbeiträge zum 1. April bleibe von der Erhöhung nichts mehr übrig. „Unter dem Strich haben die Rentner nicht mehr im Portemonnaie“, so Bauer.
Auch der sozialpolitische Sprecher der FDP, Heinrich Kolb, sprach von einer „Mogelpackung“. Die Erhöhung liege weit unter der erwarteten Inflationsrate von 1,5 bis 2,0 Prozent. Für den CDU-Rentenexperten Peter Weiß ist die Erhöhung dennoch ein Zeichen dafür, „dass es in Deutschland wieder aufwärtsgeht“.
Angesichts der minimalen Rentenerhöhung darf man bezweifeln, dass die Bürger zuversichtlicher in die Zukunft schauen. Schon jetzt sieht jeder Sechste die Altersarmut auf sich zukommen, jeder Dritte hat kein Vertrauen in das System, wie eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach besagt.
Weitere Rentenerhöhungen hielt Müntefering gestern für möglich, machte diese aber von der Lohnentwicklung abhängig. Eine Garantie für höhere Renten kann aber wohl auch ein weiterer Wirtschaftsaufschwung nicht geben. Schon jetzt blieb die Rentenerhöhung hinter der Lohnentwicklung von 0,7 Prozent mehr im Jahr 2006 zurück.
Obwohl der „Aufstand der Alten“ vorerst ausbleibt: Seniorenstudenten müssen sich auch in Zukunft genau überlegen, welche Bücher sie sich leisten können.