Sich vom Baum behütet fühlen

WALDBESTATTUNG Viele Menschen möchten nicht auf künstlich-kalten Friedhöfen begraben werden, sondern am eigenen Baum im Wald. Der Trend zum Begräbnis im Wald, das auch Grabpflege überflüssig macht, steigt

Anders als beim Friedhof kann im Friedwald der Lebende den Ort wählen, an dem er begraben werden will

VON PETRA SCHELLEN

„Die meisten Kunden bevorzugen Birken. Dabei leben diese Bäume gar nicht besonders lange. Aber Birken“, sagt „Friedwald“-Sprecherin Corinna Brod, „haben eine schöne Rinde, wirken melancholisch, vielleicht märchenhaft – und gefallen den Leuten.“ Und das nicht nur ganz allgemein bei romantisch veranlagten Zeitgenossen, sondern speziell bei solchen, die eine Waldbestattung wünschen.

Die bietet das Bestattungsunternehmen „Friedwald“ seit genau zehn Jahren an; Tendenz steigend: 35 Wald-Friedhöfe betreibt „Friedwald“ inzwischen bundesweit – stets in Zusammenarbeit mit den zugehörigen Kommunen. Denn Träger eines Friedhofs kann kein privates Unternehmen sein. Das muss laut Gesetz eine Gemeinde, eine Institution öffentlichen Rechts oder eine kirchliche Einrichtung übernehmen.

Den Verdienst teilen sich dann beide Beteiligte: Die Beisetzungsgebühr geht an die Kommune, der Erlös aus dem Verkauf der Bäume bzw. Baum-Grabstätten an den Betreiber – „Friedwald“ zum Beispiel. Hierfür allerdings muss ein Wald zunächst in einem Genehmigungsverfahren in einen Friedhof umgewidmet werden. Ein reiner Verwaltungsakt, sagt Corinna Brod.

Wichtiger sei, dass sich der Wald als Bestattungsort eigne. „Es muss ein Laub-Mischwald sein, der gut angebunden ist an die Infrastruktur der Region“, sagt Brod. „Er sollte einen Waldparkplatz haben und nicht weiter als 30 Kilometer von einer Autobahn entfernt liegen.“ Zudem müsse die betreffende Kommune einverstanden sein, dort einen Friedhof zu betreiben.

Das kommt den klammen Kommunen oft gelegen: Erst kürzlich habe man in mehreren Städten, deren Friedhöfe belegt war, den angrenzenden Forst zum Friedwald gemacht. Dies sei für die Kommunen kostengünstiger als der Ausbau des Friedhofs. Zudem entfalle ja das Personal für die Pflege weiterer Grabstätten.

Genau dies bewegt auch viele Friedwald-Kunden. Denn es entschieden sich nicht nur Grünen-Wähler für eine Waldbestattung, sagt Brod. Sondern auch Menschen, die ihren Angehörigen aufwändige Grabpflege nicht zumuten wollten. „Ein grassierendes Phänomen in Zeiten der oft weit verstreut lebenden Familien“, sagt Brod. Und eine Grabstätte im Wald sei sowohl atmosphärisch angenehm als auch pflegeleicht. Und es sei eine langfristige Lösung. „Wir bieten nur solche Bäume als Liegeplätze an, die noch mindestens 90 Jahre lang stehen“, sagt sie.

Allerdings eigne sich nicht jede Baumart für die Bestattung einer (ökologisch abbaubaren) Urne zwischen den Wurzeln. Nadelhölzer – Kiefern etwa – seien Flachwurzler, die hierfür keinen Raum ließen und zudem bei Sturm leicht umkippten. Die beliebten Birken andererseits lebten nur höchstens 70 Jahre.

Bleiben die Klassiker: Buchen und Eichen. Sie werden bis zu 500 Jahre alt. „Da kann auch eine 200-jährige Eiche noch als Jungpflanze durchgehen“, sagt Brod. Förster, die durch die Wälder führten und auch die Grabstätte vorbereiteten, erzählten übrigens, dass Frauen Buchen vorzögen und Männer Eichen.

Die Preise indes richten sich eher nach der Baumart als nach dessen Alter. Exotische Bäume – Kirsche oder Stechpalme etwa – sind teurer. Auch Bäume, die aus holzwirtschaftlicher Sicht wertvoller sind, kosten mehr. „Obwohl wir im Friedwald natürlich keine Forstwirtschaft betreiben“, sagt Brod. Doch selbst wenn man es täte – kollidieren würde dies nicht. Denn ihre Kunden wählten keineswegs gut gewachsene, schlanke Bäume, wie sie sich für Möbelholz eigneten, sagt Brod. „Sondern eher verwachsene Bäume, die die Menschen an etwas erinnern.“

Wie sie die Beisetzung gestalten, bleibt den Kunden überlassen. „Einige bringen einen Trauerredner, andere einen Pfarrer mit oder gestalten das Ritual selbst“, sagt Brod. Vorbereitet und geschlossen werde die Grabstelle vom Förster, der auch darauf achte, dass das Wurzelwerk des Baums nicht geschädigt werde.

Bleibt die Frage der Kenntlichkeit: Auch hier entscheidet der Kunde, ob am Baum eine Namensplakette hängen soll oder nicht. Und ob er einen Familien- bzw. Freundschaftsbaum möchte oder einen eigenen.

Einen organischen Übergang vom Leben zum Tod impliziert das Konzept der Waldbestattung indes zweifellos. Anders als beim Friedhof kann der Lebende den Ort wählen, an dem er begraben werden will. Er kann dort spazieren gehen, sich mit Gerüchen und Geräuschen vertraut machen. Und sich, die Wurzeln des Baums spürend, schon zu Lebzeiten ein bisschen behütet fühlen.

www.friedwald.de