: „Keine Steuer ohne Gesetz“
Im Streit um die Zulassung privater Wettanbieter prüft die EU-Kommission den geplanten deutschen Glücksspiel-Staatsvertrag. Schleswig-Holsteins Widerstand gegen den hat der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp organisiert
HANS-JÖRN ARP, 54, gelernter Koch, ist Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Landtags in Schleswig-Holstein.
taz: Herr Arp, sind Sie gegen Suchtprävention?
Hans-Jörn Arp: Um Gotteswillen nein! Ich bin in meinem ersten Leben Gastronom gewesen. Daher weiß ich, wie groß die Gefahr ist.
Sie sind aber für die Liberalisierung des Sportwettenmarktes.
Ja. Weil ich mir sicher bin, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter die Suchtprävention nicht besser betreiben als private. Sonst müsste ja in der Konsequenz jede Fast-Food-Kette auch vom Staat geregelt werden. Fresssucht gibt es schließlich auch.
Schleswig-Holstein hat dem Glücksspielstaatsvertrag die Zustimmung verweigert und macht jetzt einen Kompromissvorschlag: Das Lotto-Monopol will man beibehalten, aber bei den – gefährlicheren – Sportwetten private Konkurrenz zulassen. Wie passt das zusammen?
Erstens stehen wir unter einem gewissen Zeitdruck.
… weil das Verfassungsgericht für die Neuregelung den 31.12. als Deadline bestimmt hat…
Zweitens sag ich mal, einen Lottostaatsvertrag haben wir erst 2004 beschlossen, den könnte man so lassen, wie er heute ist. Das größere Problem, vor dem die Gesellschaft steht, ist der Sportwettenmarkt.
Warum?
Der wird zurzeit, außer vom Staat, gar nicht erkannt. Obwohl jeder weiß, dass es ihn gibt und dass dort ein geschätzter Umsatz von sechs Milliarden Euro jährlich gemacht wird – mit stark steigenden Zuwachsraten in Deutschland. Das ist aber momentan alles im Graubereich. Wenn wir den kontrollieren und die Suchtprävention prüfen wollen, brauchen wir erst einmal eine gesetzliche Grundlage für „Bwin“ und „Bet 3000“ und wie sie alle heißen. Die haben wir aber nicht.
Dann würde die Liberalisierung die Suchtprävention sogar verbessern?
Ja, natürlich. Jetzt wissen wir, dass da ein Markt ist. Der findet faktisch statt in einer Altersgruppe zwischen 25 und 50 Jahren, das sind die Hauptbeteiligten. Und an die kommen wir in keiner Weise ran, weil wir so tun, als gäbe es diesen Markt nicht. Wir blenden den einfach aus, und weil es ihn nicht gibt, brauchen wir kein Gesetz. Das Gegenteil wäre richtig: Erst wenn wir ein Gesetz haben, lassen sich die Spieleinsätze limitieren, dann ist es auch möglich, Minderjährige auszuschließen. Das geht heute alles nicht. Heute kann jedes Kind da mitspielen, wenn es zu Hause einen PC hat. Das wollen wir verhindern.
Im Argen ist auch die Frage der Besteuerung der privaten Wettanbieter.
Richtig.
Zahlen die überhaupt?
Nein, gar nicht – weil es sie ja formal nicht gibt, verstehen Sie? Weil wir im Sportwettenbereich davon ausgehen, dass es nur so etwas wie „Oddset“ gibt. Für alles andere gibt es keine rechtliche Grundlage: Es kann keine Steuer ohne Gesetz geben.
Aber der Lotto-Block sagt: Wenn die Konkurrenz kommt, brechen die Wettmittel weg. Und die sind doch so wichtig für Sportförderung, soziale und kulturelle Einrichtungen…
Stimmt, die sagen: Die Toto-Gelder machen rund 40 Prozent der Wettmittel aus, das würde wegen der Konkurrenz wegbrechen. Unsere Rechnung ist da anders: Wenn man an diesen stark wachsenden Markt rankäme, hätte man unterm Strich mehr: zwei Prozent Umsatzanteil von sechs Milliarden wären ja schon 120 Millionen.
Zusätzlich?
Dann würde natürlich Oddset auch nicht mehr 40 Prozent Spielabgaben zahlen, sondern genauso behandelt werden wie die privaten. In der Summe wäre es am Ende auf jeden Fall deutlich mehr als jetzt. INTERVIEW: BENNO SCHIRRMEISTER