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Archiv-Artikel

Der große Fritz

Der WDR würdigt seinen scheidenden Intendanten mit einem zweiteiligen, eindimensional-peinlichen Rührstück („Rastlos gelassen“, 20.15 Uhr)

VON STEFFEN GRIMBERG

Heute Abend findet beim Westdeutschen Rundfunk eine öffentliche Heiligsprechung statt: Pleitgen, Pleitgen, Pleitgen. Der Größte, der Beste, der Über-Journalist. Fritz Ferdinand Pleitgen geht am 31. März als WDR-Intendant in den Ruhestand, ein „öffentlich-rechtlicher Grande tritt ab“ raunt es im Film von Heribert Schwan – „ein bisschen jedenfalls“. Dass Pleitgen unumstritten einer der wichtigsten deutschen Journalisten ist, Großes geleistet hat als Reporter wie als Manager, ist klar. Doch der weihevolle Ton des hauseigenen Zweiteilers irritiert dann doch, nein, ärgert: Der Mann ist schließlich noch nicht tot, sondern höchst lebendig.

So lebendig, dass offenbar nach dem WDR nicht etwa die von ihm selbst früher stets propagierte sanfte Ruhestandsbeschäftigung als Filmemacher reicht – nein, Pleitgen wird bis 2010 der Europäischen Kulturhauptstadt Essen auf die Beine helfen, in der er noch im Zweiten Weltkrieg einen Teil seiner Jugend verbrachte.

Doch trotz knapper Rückblenden in die Frühgeschichte dieses medialen Gesamtkunstwerks, trotz mehr als üppiger Filmlänge von zweimal 45 Minuten bleibt der Mensch Pleitgen bei alledem seltsam blass. Dafür wird gelobhudelt, was das Zeug hält: Pleitgen ist „der Reporter des Kalten Krieges“, der „zum Fernsehgesicht der Wende“ wird, später als WDR-Chefredakteur bleibt er „der einflussreiche Kommentator der Wiedervereinigung“ Deutschlands. Alles völlig richtig, aber in dieser Massierung? Man fühlt sich ein bisschen an den Bertelsmann-Geburtstagsfilm für Reinhard Mohn erinnert und beginnt zu verstehen, warum der nur intern gezeigt wird.

Dabei droht leider auf der Strecke zu bleiben, was Schwans Film trotz dieser Schwächen sehenswert macht: An Pleitgen lassen sich fast 50 Jahre Journalismusentwicklung, Fernsehgeschichte in Deutschland erzählen: Die ersten Einsätze als junger Reporter in den Sechzigerjahren an so ziemlich allen Ecken der damals bekannten ARD-Welt. Schon bei einer Reportage aus San Francisco vor rund vier Jahrzehnten ist auch diese Pleitgen-Stimme da, die ihn bis heute unverwechselbar macht. Die Kameras laufen damals noch mit richtigem Film – doch der Chance, neben der Karriere des großen Fritz hier ganz nebenbei ein bisschen Nachhilfe in Sachen Mediengeschichte zu leisten, entzieht sich Schwan dann leider völlig.

Dafür kommen dann die auch vielen Nachgeborenen noch vertrauten Szenen: Pleitgen in Moskau, ab 1970 ist er dort Korrespondent, „lernt zu taktieren und die Zensur auszutricksen“. Und merkt, dass man selbst in der Sowjetunion des Leonid Breschnew mit journalistischer Kaltschnäuzigkeit weiterkommt: Den KPdSU-Generalsektretär „gatecrashed“ Pleitgen im Wortsinne auf einem russischen Inlandsflughafen, das spontane Interview geht durch alle SU-Medien – und um die Welt. Seitdem genießt der Pleitgen einen Sonderstatus, der ihm sogar einen Platz im Pressepool bei Breschnews Auslandsreisen einbringt – und der ihm später als DDR-Korrespondent noch nützliche Dienste leisten wird.

Er habe die Politik der Sowjetunion mit viel Verständnis dargestellt „was mir gelegentlich Ärger einbrachte“, erinnert sich der WDR-Intendant. Zoff gab es auch wegen seiner Haltung zu Ronald Reagan, später, als ARD-Mann in Washington. Und genau das hätte man zu gerne noch einmal nacherlebt, die Erinnerungen anderer an die damaligen Anfeindungen vor und hinter den Kulissen. Doch weitere Zeitzeugen werden kaum aufgerufen, es bleibt bei Pleitgen – und so verdammt eindimensional. Kritik am Denkmal Pleitgen kommt vor, doch nur, soweit sie der Jubilar mit der ihm eigenen Generösität selbst erwähnt.

Schade irgendwie. Und für den von Pleitgen eigentlich verkörperten souveränen Journalismus eine ziemliche Schlappe.

Teil 2: Di., 20.15 Uhr, WDR