: Pop mit Herz im Aszendenten
Solider, durchdachter Pop ohne Lifestylewerbungs-Hysterie. Die Klagenfurter Indierock-Institution „Naked Lunch“ stellt am Montag ihr neues Album „This Atom Heart of Ours“ im Molotow vor
Als vor rund zehn Jahren Österreichs Indierock-Hoffnung „Naked Lunch“ gleich von mehreren großen Labels umworben wurde, sah alles nach einer großen “Superstardom“-Karriere aus, so es der Titel ihres damaligen Albums schon ankündigte. Leider wurde aus diesen Plänen dann doch nichts. Schlimmer noch, die Band fand sich befreit von jeglichen Verträgen und Plattenfirmen. Aber auch von Wohnungen, Proberaum und sogar der Inspiration. Als im Jahr 2000 auch noch ihr Bassist Georg Timber-Trattnig verstarb, schien das Schicksal der Kärntner Band endgültig besiegelt zu sein. Und eine Zeit lang lag die Vermutung nahe, Klagenfurt sei nicht nur die Heimatstadt, sondern auch die symbolische Zustandsbeschreibung der Band um Oliver Welter.
Bis dann letztes Jahr das Label „Louisville Records“ aus Berlin um den Ex-„Surrogat“-Sänger Patrick Wagner das Trio in seinen kleinen, aber erlesenen Popkatalog aufnahm. „Eine reine Liebesheirat,“ so Labelchef Wagner.
Heute stehen sowohl „Naked Lunch“s Album „This Atom Heart Of Ours“ als auch die Single “Military Of The Heart“ auf Platz drei der österreichischen Indie Charts. Der Stil der Band hat sich seit ihrer CD „Songs For the Exhausted“ (2004) dabei von Oden an die Verzweiflung zu Hymnen an die Liebe verändert. „Auf dem letzten Album haben wir nach einem adäquaten Sound gesucht. Es klang alles sehr trocken, knochig und unterkühlt. So fühlten wir uns eben damals,“ erklärt Sänger und Gitarrist Welter. „Jetzt behandeln wir stilistisch und konzeptuell eine ganz andere Thematik.“
Vorbei sind auch die Zeiten, als sie um ihre musikalische Identität kämpfen mussten. „Man hat uns früher in der Presse oft im gleichen Atemzug mit den ‚Flaming Lips‘ und anderen ,Spinnern‘ genannt,“ sinniert Welter. „Aber das ist zum Glück vorbei. Mittlerweile haben wir uns freigeschwommen. Klagenfurt, bzw. Österreich hat uns eine Art Oase bewilligt, in der wir mit keiner anderen Band mehr verglichen werden.“ Solide bis ergreifende Popballaden dominieren derzeit den Stil und die Stimmung der Band. Naked Lunch klingen überzeugend vital und aufgrund der vielen eingesetzten analogen Instrumente sehr organisch. Das passt zur fast schon beängstigenden positiven Grundstimmung des Trios; da existiert ein grenzenloses Wir-Gefühl. „Ich bin zwar garantiert der letzte lebensfreudige Mensch auf dem Planeten, doch zum Glück wurden die Zeiten und die Umstände für jeden Einzelnen von uns einfach besser. Wir sind als Band gerade ein echter Zusammenschluss.“
Dass es aufwärts geht, verdeutlicht auch das Coverfoto samt Bergregion und dem Karnischen Höhenweg. Hochgefühl. Hörbar. „Unsere Songs haben eben mit Aufstieg, Höhe zu tun. Vielleicht lag es daran, dass wir vom Studio aus immer diesen tollen Blick hatten.“ Im Klagenfurter „Fuzzroom“ machte die Band deshalb auch die bislang wichtigste Phase ihrer musikalischen Entwicklung durch. „Für uns war das endlich ein Ort des Rückzuges. Während der neun Monate, die wir dort aufgenommen haben, konnten wir ganz anders mit unserer Zeit umgehen.“ Und so entstand während dieser Zeit eine erstaunlich neue, emotional fast betörende Existenz. Solider und durchdachter Pop, der sich wohl erst nach einer bewegten Bandchronik einstellen mag. Dabei klingen die Klagenfurter keinesfalls hysterisch wie eine Lifestylewerbung – das ist der Trick: Sie meinen das ernst. Am Montagabend spielen „Naked Lunch“ im Hamburger Molotow. Johnny Stardust