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Archiv-Artikel

Das grau melierte Grauen

TV-KRIMI Das ZDF könnte sich vorstellen, „Nord Nord Mord“ (Do., 20.15 Uhr) in Serie gehen zu lassen. Der erste Film jedoch ist schon so penetrant klischeebehaftet, dass man sich eine Fortsetzung lieber nicht vorstellen will

Ein abgestandener Kalauer aus der öffentlich-rechtlichen Mottenkiste jagt hier den nächsten

VON JENS MÜLLER

Ach, hätte sich das ZDF nur darauf beschränkt, eine Nordseeinselversion der mäßig langweiligen Gotland-Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“ zu drehen. Zwei Hauptzutaten: „eine idyllische Landschaft, wie sie sich kein Fremdenverkehrsbüro für Nordsee-Tourismus perfekter ausdenken könnte“ (ZDF). Und ein attraktiver, grau melierter Kommissar – nach dem Stuttgarter Wutbürger Walter Sittler nun der Waldorfschüler Robert Atzorn. Fertig. Okay.

Nein, nicht fertig und okay, dem Mainzer Sender schien das nicht zu genügen, er musste noch eine weitere Zutat hinzufügen: „feinen Humor“. Oder eben das, was die Urheber, über deren Namen sich der gnadenvolle Mantel des Schweigens hüllen möge, dafür halten. Unfassbar penetrante Klischees aus der Mottenkiste des öffentlich-rechtlichen Altherrenhumors sind das, ein abgestandener Kalauer jagt den anderen.

Zum Beispiel die Frau des Kommissars, der es nach einer inspirierenden Indienreise nicht erspart bleibt, sich als Tantra-Lehrerin versuchen zu müssen: „Wenn euer Schoß zu atmen beginnt, tretet ihr in direkten Kontakt mit dem Kosmos. Und jetzt tief und vaginal einatmen!“ In Indien hat sie gleich auch das Kochen neu gelernt, dem Kommissar serviert sie jetzt „Kichererbsenpuffer in einem milden Curry. Schmeckt ganz köstlich!“

Wie kann der arme Ermittler das exotische Essen nur geschwind verschwinden lassen, ohne es verzehren zu müssen? Als vor 40 Jahren Chief Inspector Oxford, dessen Gattin einen französischen Kochkurs besucht hatte, vor dieser Frage stand, war das sehr komisch. Da ging die Bedrohung aber auch nicht von verbackenen Hülsenfrüchten aus, sondern von aus der Suppe starrenden Fischköpfen – und vor allem: Inszeniert hatte „Frenzy“ ein Könner namens Hitchcock.

Das wirklich Abgründige ist bei „Nord Nord Mord“ nicht der am Ende natürlich aufgeklärte Kriminalfall um eine nach 20 Jahren im Dünensand freigelegte Frauenleiche (und eine Serie von Mordanschlägen auf die Rockopas der Insel), sondern die vom ZDF formulierte Drohung an den Zuschauer – „mit Theo Clüver und seinem Team noch viele spannende Fälle zu lösen“.