knastmord : Aufklärung vor Parteikalkül
Wenn der Landtag heute die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses beschließt, dann ist eines klar: Der Mord in der Justizvollzugsanstalt harrt einer Überprüfung. Wie konnte es passieren, dass im November Mithäftlinge einen Zellengenossen missbrauchten, folterten und schließlich ermordeten? Warum haben die Wärter nicht auf einen Notruf reagiert und auch bei einem Zellenbesuch nichts bemerkt oder nichts bemerken wollen? Weshalb reagierte Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter so unsicher auf das Kapitalverbrechen? Dass sich die Parlamentarier des Landes jetzt mit Umständen und Missständen befassen wollen, die zur Gewalttat geführt haben, ist genauso zu begrüßen wie die begonnene Debatte über die Zukunft des Jugendstrafvollzugs.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Auch dass die Untersuchung im parlamentarischen Rahmen stattfindet, ist wünschenswert. Es liegt in der Natur von Knästen, dass nur die wenigsten wissen, wie es hinter den Mauern zugeht und die meisten es sich möglichst düster ausmalen. Dem Ordnungsstaat nutzen die Horrorgeschichten über Gewalt im Zellentrakt – wahrscheinlich sogar der Mord von Siegburg. All das schreckt ja ab.
Zugleich hat der Rechtsstaat aber die Pflicht für Haftbedingungen zu sorgen, die Leib und Leben der Inhaftierten nicht gefährden. Da den Häftlingen selbst das Recht genommen wird, politisch aktiv zu werden, müssen sich andere darum kümmern. Weshalb nicht die Parlamentarier?
Dieser Ausschuss ist auch deshalb selten vernünftig, weil hier Aufklärung vor Parteikalkül zu gehen scheint. Natürlich hat die SPD als größte Oppositionspartei ziemlich durchsichtige Interessen, wenn sie klären will, wie es zu den Mängeln im Justizministerium kommen konnte. Doch zugleich gibt sie dem Ausschuss auf, die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalens Jugendstrafvollzug seit Anfang 2003 zu untersuchen – zweieinhalb Jahre dieser Zeit trug Justizminister Wolfgang Gerhards die Verantwortung. Und zwar für die SPD.