piwik no script img

Archiv-Artikel

KUNSTRUNDGANG Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Francesco Clemente: Atlantic Avenue Paintings, bis 19. Mai, Di–Sa 11–18 Uhr, Jablonka Galerie, Kochstr. 60

Auch die Kunst agierte in den 50er-Jahren im Zeichen des Ost-West-Konflikts. Und so hieß es sozialistischer Realismus versus abstrakte Kunst. Politisch ist die Sache geklärt. Künstlerisch keineswegs. Zu viel New German Painting macht formale Positionen – als weitgehend unbearbeitetes Feld – wieder zu einer künstlerischen Herausforderung, für die sich Tilo Schulz interessiert. Es geht ihm, wie Andreas Höll im Katalog zu Schulz’ Ausstellung „formschön“ in der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig, schreibt, um die „ästhetische Verfremdung [des Konflikts – B. W.] im Zeichen der condition postmoderne“.

In Berlin, bei Jan Winkelmann, ist nun zu beobachten, wie Schulz diese – immer installative – ästhetische Verfremdung als (überfällige) Repolitisierung des Kunstwerks ins Werk setzt. Im historischen Zitat der Geschichte der vermeintlichen Sowjetspione Ethel und Julius Rosenberg (freilich wiedergegeben in der Fiktion des Schriftstellers Robert Coover), wie im ironischen Zitat der Betonwand (freilich aus Gehwegplatten gebildet), auf der man IRON CURTAIN liest, verschafft einem Schulz einige Klarheit über die Peinlichkeit der weiterhin beliebten Frontstellungen in der Kunst.

Tilo Schulz: Back Stage, bis 21. April, Di–Sa 11–18 Uhr, Galerie Jan Winkelmann, Brunnenstr. 185

Was Francesco Clemente macht, versteht sich von selbst. So scheint es jedenfalls bei Jablonka, wo nur die Liste seiner 2006 entstandenen „Atlantic Avenue Paintings“ und seiner aktuellen Zeichnungen ausliegt. Den Sujets, einem Paar mit einem Seil gefesselter Hände, einer einfachen Eisenkette, selbst einer Nähnadel, die den Faden aus dem Knopfloch zieht, ist eine altertümlich anmutende Atmosphäre von Pathos und Gewalt eigen. Eher unklar, worauf Clemente hinauswill. Ganz klar aber, dass mit ihm ein Star nach Berlin kam, der Erich Marx, Gary Smith oder Bruno Brunnet zum Vernissagenbesuch animierte.