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Archiv-Artikel

Die Massenabfahrt

Die Mayday darf jetzt Bier trinken. Auch im 16. Jahr bleibt man musikalisch bodenständig-trotz neuem Veranstalter

Andreas Gursky hat sie mal porträtiert, die Mayday. Merkwürdig desorientiert steht eine Masse an Menschen auf dem Tanzflur, Freunde tanzen im kleinen Kreis, ein paar ausgestreckte Arme grüßen gen Nirgendwo und durch das helle Blitzlicht wirkt die ganze Szene wie das Ende der Feierei beim Anschalten des Saallichts.

Nur wenig zu spüren ist auf dem Foto von der „New Euphoria“, mit der die neuen Veranstalter I-Motion dieses Jahr die Massen an der Abfahrt Westfalenhalle von der B1 locken wollen. Doch bei solchen Wortspielen ist Vorsicht geboten. 2006 erhielten Berliner Politaktivisten Post vom Anwalt des Plattenlabels „Low Spirit Recordings“. Der Grund: Sie hatten am 1. Mai eine Demonstration „für soziale Rechte weltweit“ im Rahmen der europaweiten „Mayday“-Bewegung durchgeführt.

Den Veranstaltern des gleichnamigen Massenraves gefiel das nicht, schließlich habe man sich den Namen bereits 1992 urheberrechtlich schützen lassen. Der neue Veranstalter wusste auf Nachfrage jedoch nichts von den Vorgängen.

Dabei war die Mayday in der Vergangenheit sehr experimentierfreudig, wenn es darum ging, mit politischen Slogans zu werben. 1992 titelte man ein wenig verspätet „Forward ever, backward never“ und 1995 rief man in visionärer Voraussicht „The Great Coalition“ aus.

Musikalisch bleibt man dabei eher auf der sicheren Seite. Die Mayday bietet „die wichtigsten Stile elektronischer Musik (...) wie etwa Trance, Techno oder House“ (dpa), ist aber bei aktuellen Entwicklungen von Clubmusik eher zurückhaltend. Die schweren Bässe von Dubstep etwa wird man auf der Mayday vergeblich suchen, obwohl sich gerade in NRW dort eine Menge tut. In Düsseldorf veranstaltet Orson Sieverding regelmäßig Partys mit DJs aus London und produziert gemeinsam mit einem ehemaligen Mitglied des Gush Collectives neue Stücke, während in Köln der ehemalige Spex‘ler Olaf Karnik im März eine regelmäßige Clubnacht für Dubstep begonnen hat.

Die anvisierten 20.000 Besucher des Dortmunder „Mega-Raves“ (Selbstbeschreibung) werden diese Abende aber wohl in absehbarer Zeit kaum erreichen, von daher gibt es auch im 16. Jahr nur wenig Neues über die Mayday zu erzählen. Alle weiteren Infos bekommen sie daher am 30. April beim Verkehrsfunk. Sie wissen schon, „weiträumig umfahren“ und so.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE