: Auf der Jagd nach der Grünphase
MOBIL II An der Wilhelm- und der Uhlandstraße reagieren Radfahrer gespalten auf die Grüne-Welle-Idee des Senats
Ecke Wilhelmstraße/Landwehrkanal. Das Verkehrsaufkommen entlang des Flusses ist stattlich, und doch mogeln sich zwei Radfahrer über die Fußgängerinsel bei Ampelrot über die Straße. In Richtung Unter den Linden muss man kräftig in die Pedale treten, um es noch bei Grün über die nächste Ampel zu schaffen – oder man steht. Auf der 2,4 Kilometer langen Wilhelmstraße bedeutet das viele Stehpausen. Der Senat prüft, ob ein Abschnitt dafür geeignet ist, eine grüne Welle für Fahrradfahrer einzurichten.
Udi wartet am Brandenburger Tor den Verkehr ab. Er ist Fahrradkurier: Fixiefahrrad, Tasche, Walkie-Talkie. Auf der Wilhelmstraße ist er oft unterwegs, vom Vorhaben des Senats hält er aber wenig. „Ich gebe der Idee keine Chance“, sagt er. „Jeder Fahrradfahrer fährt unterschiedlich schnell. Wenn keine Kinder oder Hunde in der Nähe sind, richte ich mich nach dem Verkehrsaufkommen und nicht nach Ampeln.“ Von diesen sind zehn Stück auf der Wilhelmstraße installiert. Ein Radfahrer schafft in gemäßigtem Tempo die erste Ampel bei Grün, die zweite bei Gelb, aber dann heißt es die Rotphase abwarten. Die Wartezeiten sind eher kurz, die durchgezogene Linie zu den Autos macht das Radeln komfortabel. Bei vielen zweirädrigen Verkehrsteilnehmern scheint trotzdem der persönliche Rhythmus eine größere Rolle zu spielen als der der Ampeln.
Sechs Kilometer Luftlinie von der Wilhelmstraße entfernt schlängelt sich die Uhlandstraße durch Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie steht ebenfalls zur Wahl für das Grüne-Welle-Experiment. Detlef, der auf Grün wartet, ist Rentner und fährt täglich rund 50 Kilometer Fahrrad. Er findet die Senatsidee sinnvoll: „Der Verkehr müsste sich viel stärker an uns orientieren“, findet er. „Von allen Verkehrsteilnehmern müssen Radler am meisten aufpassen, auf Fußgänger, Hunde, Autos.“ Warum also kein Rechtsabbieger-Pfeil?
Uhland- und Wilhelmstraße sind sich von Länge, Breite und Verkehrslage relativ ähnlich. Auch die Ampeln schalten schnell auf Rot. Hier und da blockiert ein Lkw den Radweg, Autos schießen aus Parklücken hervor. Charlotte, eine ältere Dame, wartet mit ihrem Damenfahrrad und gefülltem Korb vor der Britischen Botschaft am Ende der Wilhelmstraße. Sie fährt hier fast täglich entlang, aber versteht die Diskussion nicht. „Ich bin noch nie bei Rot über die Ampel gefahren“, sagt sie mit erhobener Stimme. „Ob ich nun zwei Minuten früher oder später ankomme, ist mir egal.“ JACOB TROMMER