Zucker im Wasser

Forscher befürchten Umweltschäden durch den Süßstoff Sucralose. Vor allem Wasserbewohner sind gefährdet

Er gilt als der neue Supersüßstoff: Sucralose, kalorienfrei, 600-mal süßer als Zucker, nicht Karies erregend und ohne bitteren Nachgeschmack. Zumindest nicht für Menschen. Doch nun warnen norwegische Forscher: Messungen haben deutlich nachweisbare Sucralose-Mengen in Gewässern ergeben. Dabei ist dieser Süßstoff in Norwegen erst seit einem Jahr zugelassen und dort bislang nur in wenigen Produkten – Coca-Cola light sowie einige Ketchup- und Joghurtsorten – enthalten.

Dass er sich bereits in den Gewässern ausbreitet, ohne dass man eigentlich weiß, welche Folgen das haben wird, hat jetzt schwedische und norwegische Behörden auf den Plan gerufen. Die schwedische Umweltbehörde Naturvårdsverket (NV) setzte Sucralose auf ihre aktualisierte Liste der möglicherweise umweltgefährdenden Stoffe.

Was Sucralose für den menschlichen Organismus angeblich relativ ungefährlich macht – auch wenn es bei Tierversuchen Komplikationen wie vergrößerte Leber und Nieren gab –, ist die Tatsache, dass es sich nach bisherigem Wissen im Körper nicht anreichert. Doch Messungen des Norwegischen Instituts für Luftforschung (Nilu) ergaben, dass Sucralose, nachdem es vom menschlichen Körper ausgeschieden wird und im Abwasser landet, auch in Kläranlagen nicht entfernt wird. Er fließt ungehindert in Seen, Flüsse und ins Meer.

„Da Zucker eine wichtige Energiequelle für alles Leben auf der Erde ist, wirkt Sucralose auf Zellen ein und lässt sie reagieren“, sagt Britta Hedlund vom schwedischen NV. Und Henrik Kylin vom Nilu präzisiert die Befürchtungen der Forscher: „Wir wissen bereits, dass es beispielsweise den Transport von Zucker in den Gefäßen von Pflanzen massiv stört.“

Versuche mit Sucralose-ähnlichen Substanzen hätten gezeigt, dass deren Kontakt mit Zellrezeptoren entweder zu deren Ausschaltung oder zu Fehlfunktionen führe. Die Mengen, die man nun in Gewässern gefunden habe, ließen in erster Linie an mögliche biologische Folgen für das natürliche Planktonwachstum denken. Das Problem mit Sucralose sei, so Kylin, dass dieser Stoff so „stabil ist und es fünf bis zehn Jahre dauert, bis er sich abbaut“.

Sucralose (E 955) wurde 1976 entdeckt und ist mittlerweile in den USA, wo es unter dem Namen „Splenda“ vermarktet wird, der Marktführer unter den Süßstoffen. Vor drei Jahren hat Sucralose auch in der EU eine Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff erhalten. In Deutschland darf er seit Anfang 2005 eingesetzt werden.

Obwohl die Auswirkungen von Sucralose auf die Umwelt bislang so gut wie unerforscht sind – die norwegische Gewässerstudie ist die weltweit erste –, wird die Substanz laut Herstellerfirma Tate & Lyle mittlerweile in 3.500 Produkten verwendet.

Mit den ökologischen Erfahrungen anderer Süßstoffe könne man es nicht vergleichen, sagt jedoch die Nilu-Studie: Sucralose sei in seinem Wirkungszusammenhang eine bislang einmalige Chemikalie. Tate & Lyle verweist hingegen auf die unerhört geringen Konzentrationen – etwa 20 Mikrogramm pro Liter –, in denen die Substanz vorkomme.

Für die Forscher ist das kein Argument. Speziell misstrauisch macht sie die chemische Zusammensetzung von Sucralose: An ein Zuckermolekül sind zwei Chloratome gehängt worden. Chlororganoverbindungen – wie etwa DDT –, die sich für lange Zeit in der Natur ablagern können, seien aber, so Britta Hedlund, eines der großen Umweltprobleme des letzten Jahrhunderts gewesen. „Wir sollten überhaupt nicht solche Chemikalien anwenden, die sich so langsam in der Natur abbauen“, sagt Henrik Kylin. REINHARD WOLFF