: Wir sagen: Die Meister kommen
„Wir haben Schüler aus 44 Nationen. Manche sind dabei, die haben noch nie eine Schule von innen gesehen, wenn sie zu uns kommen. Wir haben daher das Prinzip: Sie lernen zusammen und sie bleiben zusammen. Das heißt zum Beispiel, wir haben das Sitzenbleiben abgeschafft. Es gibt bei uns sogar die Chance, ein elftes Jahr zu bleiben. Das ist wichtig für Kinder, die erst mit elf oder zwölf Jahren nach Deutschland gekommen sind. Um ihnen eine Chance zu geben, schicken wir sie nicht weg, sondern bieten an, den Abschluss nachzuholen.
Manchmal können Schüler sogar noch länger bleiben. Wir haben eine Schulkantine, in der eine Hauswirtschafterin mit Meisterbrief kocht. Dort können ein paar Schüler, die keine Lehrstelle gefunden haben, ihre Lehre absolvieren. Wir nennen das: Die Meister kommen. Warum sollen wir nicht einen Malermeister anstellen und einen Schreinermeister und einen Schneidermeister? Zu tun gibt es hier genug.
Wir wollen eine richtige Ganztagsschule werden. Manche Schüler sagen zu mir: ‚Frau Pässler, ich will nicht nach Hause.‘ Sie haben keine guten Familien. Und sie hängen da auch oft nur vor dem Computer oder dem Fernseher rum. Wir bieten jetzt schon Nachmittagsunterricht an für unsere fünften und sechsten Klassen, und es machen auch alle 150 Schüler mit. Wir wollen dieses Angebot aber allen machen. Dann ist anderer Unterricht möglich, in Blöcken, nicht in 45-Minuten-Häppchen.
Für Kinder, die gerade aus dem Ausland kommen, veranstalten wir einen Intensivsprachkurs. Ein Jahr lang 27 Stunden pro Woche. Das ist eine sehr heterogene Gruppe, da sind alle Jahrgänge drin. Aber der Kollege macht das ausgezeichnet. Er geht auf die Bedürfnisse dieser Weltkinder ein. Vielleicht hilft ihm auch, dass er selber aus dem Ausland kam. Es ist uns überhaupt wichtig, internationale Kollegen zu haben.
Die Zukunft der Schule ist meiner Meinung nach die Gemeinschaftsschule, mit der die Dreigliedrigkeit überwunden wird. Bisher stecken wir die Kinder schon nach der vierten Klasse in eine Schublade, aus der viele nie mehr herauskommen. Gemeinsam voneinander zu lernen gäbe ihnen die Chance. Das ist meine Vision.“
Helena Päßler ist Leiterin der Heinrich-von-Kleist-Schule, Wiesbaden: 506 Schüler, 85 Prozent mit Migrationshintergrund.