: Elegisch mit zwei Händen
KLAVIER Mit seinem zweiten Album „Walk On“ zeigt der versatile Berliner Pianist Arnold Kasar, dass er auch den Dienstleister für Techno-Tracks drauf hat
Ein Comeback ist das nicht, denn das Klavier war ja nie wirklich weg. Aber es ist schon auffällig: Das altehrwürdige Tasteninstrument ist in der Popmusik so präsent wie lange nicht. Nils Frahm oder Lambert sind die offensichtlichsten Berliner Vertreter dieses Trends, in den sich Arnold Kasar nur bedingt einordnen lässt. Denn Kasar hat schon vor zwei Jahren ein bereits im Titel programmatisches Album aufgenommen: „The Piano Has Been Smoking“ war die gelungene Symbiose aus präpariertem Klavier und elektronischen Klängen.
Auf dem Nachfolgewerk „Walk On“ ist das Klavier nicht länger präperiert, muss dafür aber weitgehend ohne elektronische Unterstützung auskommen. Stattdessen benutzt Kasar nun ausführlicher die eigene Stimme, die auf seinem Debütalbum nur in einem einzigen Stück zum Einsatz kam.
Das Ergebnis sind elegische, aber niemals kitschige Instrumentals, die neben Songs stehen, die durchaus eingängig sind, aber selten Radio-Format besitzen. Sogar mit dem in der Popmusik inflationär eingesetzten Autotune-Effekt experimentiert Kasar, evoziert damit Assoziationen von Cher bis Bon Iver, aber läuft niemals Gefahr, allzu gefällig zu klingen.
Stattdessen kann, wer will, auf „Walk On“ alle Stationen nachhören, die der 1972 im badischen Bad Säckingen geborene Wahlberliner in seiner Karriere schon absolviert hat. Der jazzifizierte Pop aus Zeiten in Bands wie Nylon und Micatone, deren Sängerin Lisa Bassenge einen Gastauftritt im Song „Dance To The Mallet“ absolviert, ist ebenso zu finden wie der organische Umgang mit Samples und Rhythmusmaschinen aus dem elektronischen Nu Jazz, den Kasar aus der Arbeit im Umfeld von Jazzanova und deren Sonar Kollektiv kennt.
Und natürlich ist auch zu hören, dass Kasar lange zum Team um Friedrich Liechtenstein gehörte und dem singenden Schwadroneur bis zum großen „Supergeil“-Durchbruch die nicht ganz so erfolgreiche Musik designte. Doch der mondäne, verschwenderische Chanson, der durch eine gewisse ironische Distanz abgefedert wird, ist auch Kasar vertraut: Durch „Dawning“ nölt sogar ein original AchtzigerJahre-Saxofon, das eigentlich auf dem Index steht.
Es ist diese Sorte Tabubruch, die trotzdem niemals provokant wirkt, die „Walk On“ auszeichnet. Dass das Album trotz dieser demonstrativen Offenheit nicht auseinanderfällt, hat es dem meist dominierenden Klavier zu verdanken, das mal als treibende Kraft einen Disco-Rhythmus nachstellt, mal sich verträumt durch hallende Klanglandschaften klimpert. Mal kommt es ganz klassisch und poetisch daher, mal bietet es sich als Dienstleister für einen Techno-Track an. Kurz: Es ist erstaunlich, welche Bandbreite dieses Instrument unter den kundigen Fingern von Arnold Kasar entwickelt. Deshalb hat das Klavier vielleicht nicht unbedingt ein Comeback nötig, aber doch eine Renovierung, wie sie mit „Walk On“ gelungen ist. THOMAS WINKLER
■ Kasar: „Walk On“ (Sonar Kollektiv/ Alive)
■ live: Kasar und Gäste: 12. 9., Roter Salon