der wochenendkrimi
: Lost in Leipzig

„Tatort: Die Anwältin“, So., 20.15 Uhr, ARD

Gossenjuristerei nennt man so was wohl: Im Durcheinander einer Notaufnahme kobert sich die Anwältin an die Angehörige eines schwer verletzten Unfallopfers heran, zückt ungeniert ihre Visitenkarte und versucht, durch sanftes Einreden auf die Traumatisierte Kapital aus dem Unglück zu schlagen. Doch ein Krankenpfleger verscheucht die Rechtsgelehrte mit einer wedelnden Handbewegung, so als wolle er eine Bettlerin aus einem Restaurant jagen.

Tief gesunken ist sie also, die einstige Vorzeigejuristin Corinna Becker (Doreen Jacobi), die eigentlich Jugendrichterin werden wollte, dann aber doch nur einem Investmenthai bei seinen zwielichtigen Geschäften zur Seite stand. Der Arbeitgeber ist jetzt tot, erschossen aufgefunden hat man ihn in seinem unheimlichen und unheimeligen Millionen-Euro-Kubus samt darin verstreuter Hunderttausend-Euro-Kunst. Ein bisschen sieht das Wohnquadrat am Stadtrand von Leipzig aus, als sei es vom Laster gefallen. So ein skrupelloser Investor hat natürlich viele Feinde: vom mittelständischen Glasbauer (Thomas Lawinky), den er durch dubiose Zahlungspraktiken in die Insolvenz getrieben hat, bis zum eifersüchtigen Freund seiner jungen Anwältin (Johann von Bülow).

Wie in diesem MDR-„Tatort“ Verdachtsmomente genährt werden, das ist schon ein bisschen schlicht. Und die Managertypologie speist sich aus den bekannten Ressentiments des Boulevards: Hier wird nach gewonnenen Prozessen noch arrogant das ackermannsche Victoryzeichen gemacht, einmal fällt das böse Wort Peanuts. Doch als Melodram, das die Fallhöhe zwischen Geldschiebereien im großen Stil und Hartz-IV-Dasein ausmisst, entwickelt „Die Anwältin“ (Regie: Dieter Berner, Buch: Raimund Weber und Fred Breinersdorfer) eine gewisse Schärfe. Was auch an der Episodenhauptdarstellerin Jacobi („Die Schönste aus Bitterfeld“) liegt, die den Aufstiegswillen ihrer Figur mit sachlicher Härte darstellt. Als Juristin haust sie mit Gaskocher im obersten Stockwerk in einer der schicken Glas-und-Stahl-Ruinen, die ihr dubioser Mandant hochgezogen hat. Nach dessen Tod droht ihr nun eben die Sozialhilfe.

Dem alten Hauptkommissar Ehrlicher (Peter Sodann) setzt der immer härtere wirtschaftliche Wettbewerb und seine illegale Unterwanderung stark zu. Dass er dann auch noch Zeuge wird, wie Freundin Frederike ihre Kneipentoiletten schwarz von einem Handwerker reparieren lässt, den die Geschäfte des toten Investors zuvor in die Arbeitslosigkeit getrieben haben, zerrt ebenfalls an seinen Nerven. Halt durch, Ehrlicher: Eine Folge noch, dann geht es in den TV-Ruhestand.

CHRISTIAN BUSS