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Archiv-Artikel

Ein Fährhafen als Seeheilbad

Der Schutz von Nord- und Ostsee muss ernsthaft betrieben werden: Darüber herrscht Einigkeit auf dem grünen Meeresschutzkongress in Hamburg. Bundesregierung und EU-Kommission müssten das nur noch umsetzen

Travemünde zum Beispiel: Der Lübecker Vorort an der Ostsee ist der größte Fährhafen in der EU, und deshalb müsste ihm „eigentlich der Status als Seeheilbad aberkannt werden“, sagt Uwe Döring, SPD-Europaminister in Schleswig-Holstein. Denn die Schadstoffemissionen der Schiffe trüben die Qualität von Luft und Wasser massiv und gefährden damit das zweite wirtschaftliche Standbein der Hafen- und Ferienstadt: den Tourismus.

Travemünde ist ein schlechtes und deshalb ein gutes Beispiel für Konflikte und Probleme der Meeresnutzung auf dem gestrigen Kongress der grünen Fraktionen in Hamburg, im Bundestag und im Europaparlament über den Schutz von Nord- und Ostsee und anderer europäischer Meere. Vorbereitet wurde die deutsche Abschlusskonferenz Anfang Mai in Bremen, auf der die nationale Position zum „Grünbuch Meere“ der EU-Kommission beschlossen werden soll. Und deutlich wurde, dass alle Fragen gestellt sind, viele Antworten aber lassen auf sich warten.

Zunehmender Schiffsverkehr belastet Nord- und Ostsee, die schon heute die am stärksten befahrenen Meere der Welt sind. Die Problemlösung laute „Kooperation der Häfen, sicherere und emissionsfreie Schiffe“, sagt der Schleswig-Holsteiner Rainder Steenblock, grüner Verkehrsexperte im Bundestag. Woran es hapert, sind politische Vorgaben für technische Entwicklungen.

Die Ausrottung von Fischbeständen werden befördert, weil die EU die Empfehlungen von Wissenschaftlern für Fangstopps missachte, kritisiert Thilo Maack von Greenpeace: „Die müssen verbindlich werden.“

Die Belastung der Ostsee mit Stickstoffen würde um 50 Prozent steigen, prophezeit der schwedische Agrarwissenschaftler Artur Granstedt von der Universität Uppsala, wenn Polen und die baltischen Länder mit Subventionen der EU so Landwirtschaft betreiben würden wie die skandinavischen Länder. In einem dreijährigen Pilotprojekt hat er nachgewiesen, dass die ökologische Landwirtschaft die Emissionen in Boden und Wasser „um 70 bis 75 Prozent verringert“.

Europäischer Meeresschutz, befindet Steenblock, „ist eine Politik der Zukunft“. Das EU-Grünbuch müsse nur noch dafür sorgen, „dass die Meere eine Zukunft haben“. SVEN-MICHAEL VEIT