: In jeder Schublade ist es zu eng
Die Hamburger Band „Fink“ gibt es nicht mehr. Nun macht Sänger und Gitarrist Nils Koppbruch weiter – nicht so ganz alleine, und irgendwie auch nicht so ganz weit entfernt vom melancholisch-wortschöpferischen Sound von früher. Und deutschen Country suchen Sie bitte auch weiterhin anderswo
von IMKE STAATS
Es ist Frühling, alle Vögel sind nun da – bis auf einen: Fink. Von der gleichnamigen Hamburger Kapelle zumindest gibt es – nach zehn Jahren und sieben Alben – nun keine Jubiläumsausgabe. Sondern ein Solo-Werk des Gründers/Texters/Sängers/Komponisten/Gitarristen Nils Koppruch. Die anderen Bandmitglieder sind auch woanders Bandmitglieder, haben eigene Pläne, und so war es nach vielen Umbauten in den eigenen Reihen an der Zeit: Nach der letzten gemeinsamen Tournee im Jahre 2005 gingen „Fink“ auseinander. Ohne Groll, wie es heißt.
Koppruch hatte beschlossen, sich unter eigener Regie und ohne Gruppen-Politik auf das Musikmachen zu konzentrieren. Er wird „Den Teufel tun“ – so heißt seine anstehende CD – und nicht nur singen und musizieren, auch ein eigenes Video steht in Aussicht. Und weiterhin malt Koppbruch unter dem Namen SAM seine spröd-humorigen Bilder. Die sind in gedruckter Form nicht nur in seinem Buch „Dilettant“ (2006) erhältlich, sondern neuerdings auch auf Schokoladeneinwickelpapier, das er exklusiv für einen Hamburger Händler entwarf.
Dessen Geschäft hatte Koppbruch schon vor längerem mit einem Gemälde verziert, ebenso vor noch längerem eine Wand im Lokal „Saal II“ im damals noch weniger gentrifizierten Hamburger Schanzenviertel. Apropos Lokal: Irgendwann hat Koppbruch, Jahrgang 1963, mal Koch gelernt, aber einen kreativen Ansatz konnte er diesem Beruf nicht abgewinnen.
Nein, Musikmachen und Malen sind die Gebiete, in denen er sich umtut, seit er Anfang der 90er Jahre nach Hamburg kam – im Umfeld des Low-Budget-Malers 4000 oder auch des musizierenden Louisiana-Imports Deutschmark Bob. Nun mag der Mann ja vielleicht aus Hamburg nicht mehr wegzudenken sein. Musikalisch verorten lassen aber hat sich Koppbruch, haben sich Fink nie. Stattdessen „erfanden“ sie eine neue Art von Folk-Music. Ihrem gemeinsamen Treiben wurden Begriffe wie Country, Americana oder Oldtime angeheftet, allesamt leidlich passend; dazu Koppbruchs Gesang in deutscher Sprache und – irgendwo – die karge Stimmung und Rauheit so manchen Seemannsliedes.
Doch in jeder Schublade ist es zu eng. Schon Finks erste Platte „Vogelbeobachtungen im Winter“ wollte da heraus – auch wenn die meisten Songs da noch eine deutliche Western-Atmosphäre umgab und rasch die Rede war vom deutschen Country-Wunder. Trends indes dürften Koppruch egal sein, lieber schafft er Stimmungen, in denen er seinen Inhalt auftreten lässt. Dabei kommt er immer noch ohne Erklärungen über Anfang, Ende, Ort und Zeit aus. Der Hörerin kommt es immer wieder vor, als zappte sie zufällig in die richtige Stelle eines Films hinein. Die Grundstimmung auf „Den Teufel tun“ ist, wie auch schon früher bei Fink, düster und trotzdem gelassen. Findet Koppbruch keine passenden Sprachbilder, dann baut er neue. Die klingen dann so selbstverständlich, als hätte es sie schon immer gegeben. Sie setzen sich fest und tauchen auf Abruf wieder auf: „Solange es im Graben quakt, sind die Frösche noch am Leben“, textet Koppbruch auf seinem neuen Album. Oder: „Der Wind dreht sich nie, wenn du willst, dass er’s tut.“
„Ich mache bedeutungsvolle Musik“, definiert Koppbruch sein Werk, und das ohne jede Anmaßung. „Sie deutet“, sagt er, „auf etwas hin.“ Dem brandschatzenden „Hauptsache Superstar“-Zirkus setzt er die eigene Authentizität entgegen, ist aber kein selbst ernannter Weltverbesserer. Der seiner philosophischen und künstlerischen Gesamtmotivation folgt: In den zwölf Stücken von „Den Teufel tun“ geht es viel um das Liedermachen, um das Erzählen an sich. Schon der Titelsong reflektiert darüber. Er schildert, dass die Musik eines Mädchens der Macht des Teufels etwas entgegensetzen kann. Die Figur sei ihm im Traum erscheinen, lässt Koppbruch wissen. Sie ähnelt derjenigen, die Nathalie Huth für das Cover der CD gezeichnet hat. Auf die Frage, wie lange er für die Arbeit an dem Solo-Debüt gebraucht hat, sagt er: „41 Jahre Leben.“
Musikalisch ist Koppbruchs Solo-Werk übrigens gar keins. Fink-Kollegen aus allen Epochen der Band begleiten Koppbruch und seine Gitarre, dazu neue Musiker-Freunde, sogar ein Chor erklingt. Es ist eine ruhige Platte, nur bei „Heimweh“ rockt es dann mal härter, da geht es aber auch um den deutschen Nationalstolz zur Fußball-Weltmeisterschaft. Heiterer geht es in vielen anderen Liedern zu. Oder sehnsuchtsvoll. Und zum Schluss sogar nochmal tröstend. „Noch nichts ist verloren“, singt Koppbruch da, „nicht jetzt schon.“ Der letzte Schrei des alten Finken ist sein Ur-Krähen.
Nils Koppruchs Album „Den Teufel tun“ erscheint am 5. 4. bei V2/Rough Trade