SHEILA MYSOREKAR POLITIK VON UNTEN : Handelskammer gegen rechts
Bald werden wir keine Sarrazin-Parolen mehr hören. Dank wirtschaftsfreundlicher Unionspolitiker
Wo wohnen die eigentlich – Merkel, Friedrich und die anderen? Ich frage mich das des Öfteren.
Zum Beispiel wenn wahlweise unser neuer Innenminister, unsere Kanzlerin oder ein anderer Politiker irgendeinen Kram über unintegrierte Ausländer erzählen, die kein Deutsch können. Dann denke ich: Leben bei denen um die Ecke lauter bärtige Selbstmordattentäter oder wieso haben die so ein komisches Bild von diesem Land und seinen Bewohnern? Vielleicht hat Innenminister Friedrich, gleich nach seiner Ankunft aus Bayern, mit Merkel eine Tour durch die Parallelgesellschaft gemacht. Mit Tropenhelm auf dem Kopf. Aus dem Bus, hinter schusssicheren Scheiben, hat er dann seine bundeseigenen Minderheiten betrachtet. „Oh, schau mal, Angela, wir sind rechtzeitig zur Dönerfütterung gekommen!“
An Politikern verblüfft mich immer wieder ihre Fähigkeit, die Realität zu ignorieren. Das wäre ja an sich nicht schlimm, wenn sich diese Ansichten nicht in absurden Gesetzen niederschlagen würden: Zwangsabschiebung, Laufzeitverlängerung und dergleichen mehr.
Sicher, auch Politiker haben das Recht auf eigene Meinung – aber nicht auf eigene Fakten.
Hier mal ein paar Fakten.
Der Sachverständigenrat Integration und Migration hat in seinem Jahresgutachten 2011 in harten Zahlen dargelegt, dass in den letzten 15 Jahren mehr Menschen Deutschland verlassen haben, als eingewandert sind. Eine halbe Million sind abgewandert, vor allem Hochqualifizierte. Konsequenz: Der Wirtschaft fehlen Fachkräfte. Schuld daran, so die Experten, sei die desolate Migrationspolitik sowie die schlechte Stimmung, die durch Personen wie Thilo Sarrazin erzeugt wird, die behaupten, Deutschland würde von Immigranten überschwemmt.
Und noch eine andere Zahl: Der Verfassungsschutz hat vor kurzem erklärt, dass die Zahl der gewaltbereiten Neonazis in Deutschland zugenommen hat. Insgesamt sei jedoch die Zahl von Neonazis zurückgegangen, auf nur noch 25.000. Wie schön! So eine positive Nachricht zum Frühlingsanfang: Nur noch 25.000 Leute, die mir auf der Straße begegnen könnten und die mich entweder direkt niederschlagen oder doch zumindest ausweisen wollen.
Um das jetzt mal zusammenzufassen: Der Friedrich-Hans-Peter möchte ganz bestimmt, dass Deutschland ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt. Das Dumme ist nur, dass ausländische Investoren, nun ja, Ausländer sind. Und die reagieren auf Neonazis und Sarrazine so wie andere Ausländer und Migrationshintergründler auch. Also eher negativ.
Deswegen wird unser Innenminister nun bestimmt en masse Antifa-Projekte fördern und Sarrazin knebeln – als konjunkturfördernde Maßnahmen, versteht sich.
Da bin ich mir ziemlich sicher. Denn dieses Mal habe ich die Wirtschaft auf meiner Seite.
■ Die Autorin ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Foto: Firat Bagdu