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Archiv-Artikel

VERA, die ganz und gar Anständige

ALTERNATIVE Eine neue Partei will „ehrliche Politik“ machen. Die Gründer sind keine Unbekannten

Überschneidungen habe VERA mit allen Parteien, „selbst mit der SPD“, so Wittau

Es ist die erste Pressekonferenz, zu der die im Juli gegründete Partei VERA am Donnerstag einlädt. Trotzdem ist sie ziemlich professionell organisiert, von schicken Namensschildchen bis zur Pressemappe. Allerdings sind hier ja auch keine Politikneulinge am Werk: Martin Wittau und Felix Herzog, die beiden VERA-Gründer, erregten zuletzt mit einer Unterschriftensammlung für die Abwahl des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) Aufmerksamkeit. Herzog war außerdem Sprecher des Tempelhof-Volksbegehrens, Martin Wittau ist Dauergast im Abgeordnetenhaus.

Dort, so sagt es Wittau, jetzt Sprecher von VERA, habe er erkannt, „dass man ins Parlament muss, wenn man in Berlin wirklich etwas ändern will“. Flugs gründete er mit einer Handvoll MitstreiterInnen die Partei – natürlich nicht irgendwo, sondern im Abgeordnetenhaus, kurz vor der Sommerpause.

Was VERA will, außer bei den laut Wittau „mit größter Wahrscheinlichkeit noch im ersten Quartal 2015 anstehenden“ Neuwahlen ins Abgeordnetenhaus einziehen? Eine andere Politik machen, sagt Wittau, eine, die von Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt und Anstand geprägt sei – dafür steht nämlich der Name.

Als Beispiel für den geringen Stellenwert dieser Worte nennt er den Umgang des Senats mit dem „Einigungspapier Oranienplatz“, das für Innensenator Frank Henkel (CDU) keinerlei rechtliche Verbindlichkeit mehr hat. „Da werden Menschen respektlos als Spielball behandelt und das Vertrauen in den Senat völlig zerstört“, so Wittau.

VERA will anders sein, Politik „füreinander und miteinander“ machen. Auf einer Links-rechts-Skala positionieren will man sich nicht, Überschneidungen habe VERA mit allen Parteien des Abgeordnetenhauses, „selbst mit der SPD“, sagt Wittau. Das spiegelt sich auch inhaltlich in den ersten Skizzen zu einem Parteiprogramm: Die Kritik am Umgang mit den Flüchtlingen steht neben der Betonung konservativer Werte, das Tempelhofer Feld soll für die Stadt erhalten bleiben und gleichzeitig zu einem „Schaufenster für Unternehmen“ umgestaltet werden. Beim Thema Bildung schwebt VERA eine „Ganztags-Solidarschule“ vor, in der „talentorientiert“ gelernt wird. Besonders wichtig ist das Stichwort Teilhabe: Politik und Behörden sollen transparenter werden und die BürgerInnen miteinbeziehen – gleichzeitig „müssen Menschen ihre Selbstverantwortung erkennen und steigern können“, findet VERA. Hübsche Schlagwörter kann VERA jedenfalls schon ganz gut, auch wenn sie das stärker in die Nähe etablierter Parteien rückt, als ihr vielleicht lieb ist. In den Vorstellungen finden sich aber auch einige harte Brocken: Berlin solle ab sofort keine Schulden mehr machen dürfen, der Haushalt per Volksabstimmung beeinflusst werden. Das Wohnungsproblem will VERA ausgerechnet mit mehr Eigentumswohnungen lösen – wenn auch gering verdienende Menschen die Möglichkeit zum Wohnungserwerb hätten, würde dies für Stabilisierung in Kiezen sorgen.

12 bis 15 Mitglieder hat VERA bisher nach eigenen Angaben. „Wir gucken genau, wer zu uns passt“, sagt Wittau und ist sich trotzdem sicher: „Wir werden mehr“. Neumitglied Daniel Plaßmann sagt, er habe fast laut „Ja, endlich“ gerufen, als er das erste Mal von VERA gehört habe, vielen in seinem „akademischen Umfeld“ gehe es da ähnlich.

Ende September soll es den ersten Parteitag geben, auf dem dann erst mal alle möglichen Posten besetzt werden. Denn so eine Parteigründung, sagt Wittau, sei eben auch „ein ganzes Stück Arbeit“. MALENE GÜRGEN